Keine Übertragung des Kinderfreibetrags bei zusammenlebenden Eltern
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Kinderfreibeträge werden grundsätzlich nicht auf den anderen Elternteil übertragen, wenn die nicht miteinander verheirateten Eltern zusammen mit ihrem Kind in einem Haushalt leben und ihrer Unterhaltspflicht nachkommen. Dies ist laut Bundesfinanzhof auch dann der Fall, wenn ein Elternteil das Kind überwiegend allein betreut und keine oder nur geringe Beiträge zum Haushaltseinkommen leistet. Maßgeblich sei, dass die Unterhalts- und Leistungsfähigkeit generell gewährleistet sei.

Mutter geht arbeiten, Vater kümmert sich überwiegend um die Kinder

Eine Frau verlangte vom Finanzamt, dass die auf den Kindsvater entfallenden Kinderfreibeträge von 2015 bis 2017 für die beiden gemeinsamen, nichtehelich geborenen Kinder auf sie übertragen werden. Die vier lebten zusammen in einem Haushalt. Der Sohn befand sich nach Erreichen der Volljährigkeit zunächst noch in Schul- und dann in Berufsausbildung. Während die Mutter arbeiten ging, kümmerte sich der Vater um die Kinder. Die Behörde berücksichtigte in den Einkommensteuerbescheiden für 2015, 2016 und 2017 nur jeweils die auf die Mutter entfallenden Kinderfreibeträge und Freibeträge für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag). Daraufhin legte sie Einspruch gegen alle drei Bescheide ein. Das Amt wies den Einspruch für 2015 ab, gab dem für 2016 teilweise statt und entsprach dem für 2017, indem es die Freibeträge für den Sohn auf die Klägerin übertrug. Damit war sie aber nicht einverstanden. Sie teilte mit, dass Betreuungs- und Barunterhalt nicht gleichwertig seien. Der Vater könne seiner Unterhaltsverpflichtung nicht durch Übernahme der Pflege und Erziehung der Kinder nachkommen. Die Regel des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, die dies erlaube, gelte nur für Elternteile, die ein minderjähriges Kind allein betreuten. Das Finanzgericht Nürnberg wies die Klage ab, da die die Voraussetzungen für die Übertragung des Kinderfreibetrags nach § 32 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1, Satz 6 EStG auf die Klägerin nicht vorlägen. Die Revision beim BFH hatte keinen Erfolg.

Keine weitergehende Übertragung der Kinderfreibeträge

Der BFH stimmte dem FG im Ergebnis zu. Allerdings sei entgegen der Auffassung des FG die gesetzliche Regelung des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht anwendbar. Die Vorschrift gehe davon aus, dass die Eltern getrennt lebten und das Kind wie beim so genannten Residenzmodell von einem Elternteil allein gepflegt und erzogen werde - anders, als im vorliegenden Fall, bei dem die Eltern in einem gemeinsamen Haushalt zusammen lebten, den Kindern Natural- und gegebenenfalls auch Barunterhalt leisteten und sie gemeinsam betreuten. Laut BGH folgt im Hinblick auf die nach § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG zu beurteilende Unterhaltspflicht des Kindsvaters jedoch nicht, dass allein darauf abzustellen sei, ob und in welchem Umfang die Elternteile zum (gemeinsamen) Haushaltseinkommen beitragen. Bei einer funktionierenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft sei davon auszugehen, dass die Verteilung der Unterhaltsaufgaben dem gemeinsamen Willen der Eltern und der Bestimmung des oder der Sorgeberechtigten entspreche. Entscheidend sei daher, dass der Vater seiner Unterhaltspflicht durch Übernahme der Pflege und Erziehung der Kinder im Wesentlichen nachgekommen sei. Auch für den Fall, dass er "nur" betreut haben sollte, sei der Vater leistungsfähig und damit unterhaltspflichtig nach § 32 Abs. 6 Satz 6 Alt. 2 EStG.

BFH, Urteil vom 15.12.2021 - III R 24/20

Redaktion beck-aktuell, 1. April 2022.