BFH: Kein Kin­der­geld­an­spruch für Ar­beits­lo­sen­geld II-Be­zie­her bei Er­werbs­tä­tig­keit und Kin­der­geld­be­zug des an­de­ren El­tern­teils im EU-Aus­land

Be­zieht der im In­land woh­nen­de El­tern­teil Ar­beits­lo­sen­geld II, hat er kei­nen An­spruch auf Kin­der­geld, wenn der an­de­re El­tern­teil im EU-Aus­land er­werbs­tä­tig ist und dort Kin­der­geld er­hält. Dies hat der Bun­des­fi­nanz­hof mit Ur­teil vom 26.07.2017 ent­schie­den. Dabei komme den Kin­der­gel­d­ent­schei­dun­gen aus­län­di­scher Be­hör­den Bin­dungs­wir­kung für die Fa­mi­li­en­kas­sen und die Fi­nanz­ge­rich­te zu (Az.: III R 18/16).

Er­werbs­tä­ti­ger Kinds­va­ter er­hielt fran­zö­si­sche Fa­mi­li­en­leis­tung

Die Klä­ge­rin wohn­te mit ihrer min­der­jäh­ri­gen Toch­ter seit Juli 2013 in Deutsch­land. Sie er­hielt Ar­beits­lo­sen­geld II, nicht aber Ar­beits­lo­sen­geld I. Der Kinds­va­ter wohn­te in Frank­reich und war dort er­werbs­tä­tig. Er er­hielt eine dem Kin­der­geld ver­gleich­ba­re hö­he­re fran­zö­si­sche Fa­mi­li­en­leis­tung. Die Fa­mi­li­en­kas­se hob daher die Fest­set­zung des Kin­der­gel­des auf.

FG: An­spruch des Kinds­va­ters auf fran­zö­si­sche Fa­mi­li­en­leis­tung steht Kin­der­geld­an­spruch der Klä­ge­rin nicht ent­ge­gen

Das Fi­nanz­ge­richt gab der da­ge­gen er­ho­be­nen Klage statt. Denn zum einen habe der Kinds­va­ter nach dem vom FG über­prüf­ba­ren fran­zö­si­schen Recht kei­nen An­spruch auf Kin­der­geld ge­habt. Zudem würde selbst ein Kin­der­geld­an­spruch des Va­ters nach fran­zö­si­schem Recht den An­spruch auf deut­sches Kin­der­geld nach Art. 68 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 883/2004, der § 65 EStG vor­ge­he, nicht aus­schlie­ßen. Da­ge­gen legte die Fa­mi­li­en­kas­se Re­vi­si­on ein.

BFH: Fa­mi­li­en­kas­se an Kin­der­gel­d­ent­schei­dung der fran­zö­si­schen Be­hör­de ge­bun­den

Die Re­vi­si­on hatte Er­folg. Der BFH hat das Ur­teil auf­ge­ho­ben und die Klage ab­ge­wie­sen. Die po­si­ti­ve Ent­schei­dung, mit der die zu­stän­di­ge fran­zö­si­sche Be­hör­de einen Kin­der­geld­an­spruch nach ihrem Recht be­jaht habe, sei für die Fa­mi­li­en­kas­se bin­dend, so­weit die Aus­le­gung von Uni­ons­recht nicht be­trof­fen sei. Die Fa­mi­li­en­kas­se und das FG seien daher nicht be­fugt, die Rich­tig­keit die­ser po­si­ti­ven aus­län­di­schen Ent­schei­dung zu über­prü­fen und selbst das aus­län­di­sche Recht fest­zu­stel­len und an­zu­wen­den.

Ar­beits­lo­sen­geld II ist bei­trags­un­ab­hän­gi­ge Geld­leis­tung im Sinne des EU-Rechts

Au­ßer­dem hat der BFH ent­schie­den, dass das Ar­beits­lo­sen­geld II als Leis­tung zur Si­che­rung des Le­bens­un­ter­halts für Ar­beit­su­chen­de nach dem SGB II keine Leis­tung bei Ar­beits­lo­sig­keit im Sinne der eu­ro­pa­recht­li­chen Be­stim­mung ist ((Art. 11 Abs. 2, Abs. 3 Buchst. c der Ver­ord­nung (EG) Nr. 883/2004)). Das Ar­beits­lo­sen­geld II habe keine an einen bis­he­ri­gen Ver­dienst an­knüp­fen­de Ent­gel­tersatz­funk­ti­on. Der Emp­fän­ger von Ar­beits­lo­sen­geld II er­hal­te seine Leis­tung nicht auf­grund oder in­fol­ge sei­ner vor­he­ri­gen Be­schäf­ti­gung. An­spruchs­vor­aus­set­zung seien nur die An­for­de­run­gen des § 7 Abs. 1 SGB II (Al­ters­gren­ze, Er­werbs­fä­hig­keit, Hil­fe­be­dürf­tig­keit und ge­wöhn­li­cher Auf­ent­halt in Deutsch­land). Das Ar­beits­lo­sen­geld II sei daher eine bei­trags­un­ab­hän­gi­ge Geld­leis­tung im Sinne des Art. 70 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 883/2004.

An­spruch des er­werbs­tä­ti­gen Kinds­va­ters vor­ran­gig

Des­halb sei der An­spruch des er­werbs­tä­ti­gen Kinds­va­ters nach Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 883/2004 vor­ran­gig und Deutsch­land als nach­ran­gi­ger Staat nicht ver­pflich­tet ge­we­sen Kin­der­geld zu zah­len, so der BFH.

BFH, Urteil vom 26.07.2017 - III R 18/16

Redaktion beck-aktuell, 25. Oktober 2017.

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