Erwerbstätiger Kindsvater erhielt französische Familienleistung
Die Klägerin wohnte mit ihrer minderjährigen Tochter seit Juli 2013 in Deutschland. Sie erhielt Arbeitslosengeld II, nicht aber Arbeitslosengeld I. Der Kindsvater wohnte in Frankreich und war dort erwerbstätig. Er erhielt eine dem Kindergeld vergleichbare höhere französische Familienleistung. Die Familienkasse hob daher die Festsetzung des Kindergeldes auf.
FG: Anspruch des Kindsvaters auf französische Familienleistung steht Kindergeldanspruch der Klägerin nicht entgegen
Das Finanzgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt. Denn zum einen habe der Kindsvater nach dem vom FG überprüfbaren französischen Recht keinen Anspruch auf Kindergeld gehabt. Zudem würde selbst ein Kindergeldanspruch des Vaters nach französischem Recht den Anspruch auf deutsches Kindergeld nach Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, der § 65 EStG vorgehe, nicht ausschließen. Dagegen legte die Familienkasse Revision ein.
BFH: Familienkasse an Kindergeldentscheidung der französischen Behörde gebunden
Die Revision hatte Erfolg. Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die positive Entscheidung, mit der die zuständige französische Behörde einen Kindergeldanspruch nach ihrem Recht bejaht habe, sei für die Familienkasse bindend, soweit die Auslegung von Unionsrecht nicht betroffen sei. Die Familienkasse und das FG seien daher nicht befugt, die Richtigkeit dieser positiven ausländischen Entscheidung zu überprüfen und selbst das ausländische Recht festzustellen und anzuwenden.
Arbeitslosengeld II ist beitragsunabhängige Geldleistung im Sinne des EU-Rechts
Außerdem hat der BFH entschieden, dass das Arbeitslosengeld II als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts für Arbeitsuchende nach dem SGB II keine Leistung bei Arbeitslosigkeit im Sinne der europarechtlichen Bestimmung ist ((Art. 11 Abs. 2, Abs. 3 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 883/2004)). Das Arbeitslosengeld II habe keine an einen bisherigen Verdienst anknüpfende Entgeltersatzfunktion. Der Empfänger von Arbeitslosengeld II erhalte seine Leistung nicht aufgrund oder infolge seiner vorherigen Beschäftigung. Anspruchsvoraussetzung seien nur die Anforderungen des § 7 Abs. 1 SGB II (Altersgrenze, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit und gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland). Das Arbeitslosengeld II sei daher eine beitragsunabhängige Geldleistung im Sinne des Art. 70 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004.
Anspruch des erwerbstätigen Kindsvaters vorrangig
Deshalb sei der Anspruch des erwerbstätigen Kindsvaters nach Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 vorrangig und Deutschland als nachrangiger Staat nicht verpflichtet gewesen Kindergeld zu zahlen, so der BFH.