Öffentlichkeitsausschluss bei Videoverhandlung: Wer schaut denn noch zu?

Wird bei einer hybriden Videoverhandlung die Öffentlichkeit ausgeschlossen, lässt sich das im Raum, in dem die andere Partei vor der Kamera sitzt, nicht überprüfen. Das Risiko habe der Gesetzgeber in Kauf genommen, meint der BFH.

Steuerverfahren ist es immanent, dass sie sensible persönliche Daten der Beteiligten behandeln, die in Deutschland durch das Steuergeheimnis besonders geschützt sind. Aus diesem Grund kennen auch finanzgerichtliche Verfahren praktisch nur einen eingeschränkten Grundsatz der Öffentlichkeit. Denn nach § 52 Abs. 2 FGO ist - neben den ebenfalls geltenden Ausschlussgründen im GVG - die Öffentlichkeit immer auszuschließen, wenn ein anderer Beteiligter, bzw. eine andere Beteiligte als die Finanzbehörde dies beantragt. Die Norm lässt keinen Ermessensspielraum und ist so weit gefasst, dass die Ausschließungsgründe des GVG daneben praktisch keine Bedeutung mehr haben.

Die FGO hängt den Schutz des Steuergeheimnisses also recht hoch. Was aber gilt, wenn die andere Partei - in der Regel das Finanzamt - per Video zugeschaltet ist? Auch das ist im finanzgerichtlichen Verfahren inzwischen möglich und wird praktiziert. Mit dieser Frage musste sich nun der BFH befassen, der dabei eine gewissermaßen technikfreundliche Auslegung des Gesetzes wählte und entschied, dass der Gesetzgeber eben in Kauf genommen habe, dass die Öffentlichkeit nur im Sitzungssaal sicher ausgeschlossen werden könne, nicht aber an anderen Orten (Urteil vom 21.08.2024 - II R 43/22).

Ausgangspunkt war ein Streit zwischen einer Erbin und dem zuständigen Finanzamt um Erbschaftssteuer, der in der Revision vor den BFH gelangt war, der eine mündliche Verhandlung anberaumte. Der Senat gewährte dem Finanzamt auf dessen Antrag jedoch die Teilnahme per Videoschalte (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. § 128a ZPO). Die Klägerin beantragte in der mündlichen Verhandlung den Ausschluss der Öffentlichkeit, der ihr auch gewährt wurde. Weil aber auf Seiten des zugeschalteten Finanzamts nicht gewährleistet sei, dass niemand anderes zuschaue oder mitschneide, rügte ihr Anwalt, die Öffentlichkeit sei damit nicht ordnungsgemäß ausgeschlossen worden.

BFH: Effektive Kontrolle bei Videoverhandlung nicht möglich

Den Einwand ließ der BFH in seinem Urteil aber nicht gelten und argumentierte, die Öffentlichkeit könne, wenn ein solcher Antrag gestellt werde, nur im Sitzungssaal sicher ausgeschlossen werden, anderenorts müssten dann niedrigere Maßstäbe gelten. Dabei führte der Senat zunächst aus, dass die Voraussetzungen für eine teilweise Videoverhandlung vorgelegen hätten, und man in einem solchen Fall den Ausschluss der Öffentlichkeit eben nicht hundertprozentig sicherstellen könne.

"Es ist der Verhandlung mittels Videokonferenz immanent", heißt es im Urteil, "dass eine Kontrolle der Anwesenden in den Räumlichkeiten der Videoübertragung nicht möglich ist. Gleichwohl hat der Gesetzgeber sie ausdrücklich zugelassen." Dabei betont der Senat, dass er sich zuvor die Zusicherung der Vertreterin des Finanzamts eingeholt habe, dass keine unerlaubten Personen anwesend seien. Solange es hieran keine begründeten Zweifel gebe, sei davon auszugehen, dass sich nur die Personen am Ort der Videoübertragung befänden, denen die Teilnahme ausdrücklich gestattet wurde.

Im Übrigen hatte die Frau mit ihrer Revision, in der es um die Kosten für das Honorar einer Kunstexpertin und für die Lagerung der Nachlassgegenstände bis zu deren Versteigerung ging, Erfolg, was die zurückgewiesene Rüge vielleicht verschmerzbar machte.

BFH, Urteil vom 21.08.2024 - II R 43/22

Redaktion beck-aktuell, mam, 13. Dezember 2024.