Geklagt hatten zwei Männer, die im Jahr 2017 geheiratet hatten. In ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung machten sie Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Ersatzmutterschaft als außergewöhnliche Belastungen geltend. Sie hatten knapp 13.000 Euro für die Einschaltung einer Leihmutter in Kalifornien ausgegeben; diese hatte bereits zwei eigene Kinder. Die Eizelle stammte von einer anderen Amerikanerin, die Samenzellen zur künstlichen Befruchtung von einem der Ehegatten. Die Kosten beinhalteten eine „Aufwandsentschädigung“ für die Ersatzmutter, Agenturgebühren, Reise- und Übernachtungs- sowie Beratungskosten, ferner den Kauf von Nahrungsergänzungsmitteln zur Steigerung der Fertilität, Laboruntersuchungen und sonstige Beträge im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Befruchtung. Seit der Geburt lebt das Kind bei den beiden, die als Eltern gelten, in Deutschland.
"Aufwendungen nicht zwangsläufig"
Das Finanzamt erkannte die Ausgaben jedoch nicht an, ebenso wenig das Finanzgericht Münster. Auch der Bundesfinanzhof verweigerte nun in einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung die Steuerminderung (BFH, Urteil vom 10.08.2023 – VI R 29/21).
Die obersten Steuerrichter und -richterinnen bringen dafür gleich eine ganze Reihe von Argumenten vor. Vor allem: Als außergewöhnliche Belastungen könnten nur solche anerkannt werden, die größer seien als jene, die "der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen". Außerdem müssten sie "zwangsläufig" zustande gekommen sein. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zu § 33 Abs. 1 EStG der Fall, wenn ein Steuerpflichtiger "sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann". Zudem müssten die Ausgaben den Umständen nach notwendig sein und dürften einen angemessenen Betrag nicht übersteigen, um in der Steuererklärung von den Einkünften abgezogen werden zu können.
Auch was dies für Krankheitskosten bedeutet, haben die obersten Steuerrichter schon in vielen Streitfällen festgelegt. Diese liegen demnach dann vor, wenn sie "einem objektiv (anomalen) regelwidrigen Körperzustand geschuldet sind" – "ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache". Eine wichtige Einschränkung lautet seither: Zur Steuerminderung werden nur Maßnahmen berücksichtigt, "die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel erbracht werden, die Krankheit erträglich zu machen".
"Kinderlosigkeit nicht krankheitsbedingt"
Genau dies sah der Senat hier nicht als erfüllt an. Denn die ungewollte Kinderlosigkeit der beiden Männer gründe nicht auf einem regelwidrigen Zustand eines oder beider Partner, sondern auf den "biologischen Grenzen der Fortpflanzung". Vorsorglich setzt er sich auch mit der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auseinander. Diese habe zwar im Jahr 1967 die ungewollte Kinderlosigkeit bei Zeugungs- oder Empfängnisunfähigkeit als Krankheit anerkannt; selbige sei zu diagnostizieren, wenn bei einem Paar entgegen seinem expliziten Willen nach mehr als 24 Monaten trotz regelmäßigem, ungeschütztem Sexualverkehr keine Schwangerschaft eintritt. Den aktuellen Fall umfasst diese auf die Infertilität/Sterilität von Mann oder Frau abstellende Definition dem BFH zufolge aber gerade nicht.
Da half auch nicht der Hinweis der Kläger, aufgrund ihrer langjährig gewachsenen und sich vertiefenden Partnerschaft sei der Wunsch nach Kindern entstanden, die genetisch von ihnen abstammten. Gleichzeitig habe sich bei mindestens einem der Partner hieraus eine psychische Erkrankung ergeben, wie es die Vorinstanz in Münster in ihrem Spruch etwas ausführlicher darlegt. Demnach hatten sie ein Schreiben einer psychotherapeutischen Praxis vorgelegt, laut dem einer der beiden unter anderem aufgrund seines starken Kinderwunsches an einer rezidivierenden depressiven Störung gelitten habe.
Für die Münchener Urteilsfinder war das aber nicht maßgeblich. Umfasst von der Möglichkeit zum Steuerabzug seien nur "alle Eingriffe und andere Behandlungen, die nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu dem Zweck angezeigt sind und vorgenommen werden, Krankheiten, Leiden, Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern". Nach diesen Grundsätzen könne ein durch eine Ersatzmutterschaft reproduziertes Kind nicht als eine medizinisch indizierte Heilbehandlung angesehen werden, auch wenn diese auf einer ungewollten Kinderlosigkeit gründe.
"Kein sittlicher Zwang"
Zwangsläufig sei die Maßnahme auch nicht aus anderen Gründen gewesen, so das Urteil. Schließlich habe der Entschluss, eine Ersatzmutterschaft zu begründen, nicht auf einer rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Zwangslage beruht, "sondern auf der freiwilligen Entscheidung, ein Kind zu haben". Als außergewöhnliche Belastungen kämen hingegen nur solche Ausgaben in Betracht, die einen Bereich der Lebensführung betreffen, welcher der individuellen Gestaltung entzogen sei - und zwar auch dann, wenn ein grundrechtlich geschützter Bereich wie hier die Verwirklichung des Kinderwunsches (Art. 1 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG) betroffen sei, ist im Urteil mit Blick auf die Garantie der Menschenwürde und den Schutz der Familie zu lesen. "Der Senat verkennt nicht, dass die ungewollte Kinderlosigkeit als schwere Belastung empfunden werden kann", beteuert er zwar. Daraus folge jedoch nicht, dass der Entschluss zur Begründung einer Ersatzmutterschaft nicht mehr dem Bereich der durch den Einzelnen gestaltbaren Lebensführung zuzurechnen wäre – "selbst dann nicht, wenn, wie im Streitfall, die Kinderlosigkeit eines gleichgeschlechtlichen (Ehe-)Paares auf den zeugungsbiologischen Grenzen einer solchen Verbindung beruht".
Doch auch verfassungsrechtliche Aspekte führt der BFH an. Die Vorstellung, "die Reproduktion eines Kindes im Wege der Ersatzmutterschaft als medizinisch indizierte Heilbehandlung oder dieser gleichgestellte Maßnahme anzusehen", sei nicht mit dessen Grundrecht auf Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 und Abs. 3 GG) vereinbar. Ein solches Verständnis würde es nämlich zu einem bloßen Objekt herabwürdigen, das zur Linderung einer seelischen Krankheit des betroffenen Klägers diente. Dies gilt der Entscheidung zufolge gleichermaßen für die Ersatzmutter: "Auch sie würde, sähe man die Reproduktion eines Kindes als Heilbehandlung, auf ein medizinisches Hilfsmittel reduziert", schreibt er.
Keine Steuerminderung für Rechtsverstöße
Einen weiteren Punkt heben sich die letztinstanzlichen Steuerrichter für den Schluss auf: Sie sehen einen zwei- oder sogar dreifachen Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz (ESchG). Eine Steuerminderung müsse jedoch in Einklang mit der innerstaatlichen Rechtsordnung stehen. Nach deren Regelungen dürfe auf eine Frau keine fremde unbefruchtete Eizelle übertragen werden; dieses Verbot einer Eizellenspende findet sich in § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG. Auch weisen sie darauf hin, dass § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG es untersagt, "eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt". Und schließlich sei die Einschaltung einer Ersatzmutter rechtswidrig – also "einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen" (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG). All das gelte unabhängig davon, ob eine Eizellenspende oder ein Ersatzmutterschaftsverhältnis kommerziell sei oder nicht.
Die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe im Jahr 2017 (§ 1353 Abs. 1 S. 1 BGB) hat daran aus Münchener Sicht nichts geändert. "Der Gesetzgeber wollte hiermit die gleichgeschlechtliche Ehe nur an die verschiedengeschlechtliche Ehe angleichen", erklären die Richter. Im Gesetzentwurf des Bundesrats werde insofern ausdrücklich hervorgehoben, dass unter den Schutz des Art. 6 GG auch die kinderlose Ehe falle. Ihre Schlussfolgerung: "Aus diesem Anliegen folgt nicht die Pflicht, die zeugungsbiologischen Grenzen einer solchen Ehe steuerlich auszugleichen."