Haftung der Eltern für direkt an Tochter gezahltes Kindergeld

Wird Kindergeld auf Wunsch an ein Kind ausgezahlt, richten sich Rückforderungsansprüche weiter gegen die Eltern. Anders ist es nur, so der Bundesfinanzhof, wenn die Behörde vor Zahlung einen Beschluss über die direkte Leistung getroffen hat. Die bloße Tatsache, dass eine solche Entscheidung hätte getroffen werden können, entlaste die Eltern hingegen nicht.

Kindergeld für volljährige Tochter

Eine Mutter wehrte sich gegen die Rückforderung von direkt an ihre volljährige Tochter gezahlten Kindergelds. Die 1971 geborene Tochter hatte grundsätzlich einen solchen Anspruch, da sie an einer vor dem 25. Lebensjahr aufgetretenen Behinderung litt. Die Betreuerin ihrer Mutter beantragte auf Wunsch der Tochter im Oktober 2016 Leistungen für den Zeitraum 2012 bis 2017, die direkt an sie ausgezahlt werden sollten. Die Familienkasse überwies dem Kind daraufhin fast 12.000 Euro. Nicht berücksichtigt hatte die Behörde allerdings, dass die Frau fast im gesamten Zeitraum Leistungen nach dem SGB II erhalten hatte. Das Jobcenter nahm die Familienkasse erfolgreich auf Erstattung in Anspruch, und diese forderte die Mutter zur Rückzahlung auf.

Das FG Niedersachsen gab der Klage der Mutter gegen den Bescheid der Familienkasse statt. Aufgrund der niedrigen Rente der Mutter habe eine sogenannte Abzweigungslage nach § 74 EStG bestanden: Zur Erfüllung der Unterhaltspflicht habe die Tochter Anspruch auf eine Auszahlung an sich selbst gehabt. Die Entscheidung hatte vor dem BFH allerdings keinen Bestand.

Verpflichtet trotz Abzweigungslage

Den Münchener Richtern reichte die reine Abzweigungslage nicht aus. Es fehle hier an einem entsprechenden Beschluss, mit dem die Familienkasse bewusst die Entscheidung dokumentiert hätte, zur Erfüllung eines Anspruchs der Tochter an diese zu zahlen. So hatte die Verwaltung nach Ansicht des BFH lediglich eine Zahlungsanweisung der berechtigten Mutter ausgeführt, die keinen Wechsel in der Person des Empfängers herbeiführte. Durch den Erhalt der nachrangigen Sozialleistungen und den damit verknüpften Erstattungsanspruch des Jobcenters habe die Familie keinen Anspruch mehr auf Auskehr der Leistungen gehabt. Unter Verweis darauf, dass es sich bei Kindergeldsachen um Massenverfahren handelt, sahen die obersten Finanzrichter auch keinen Ansatz für eine Verwirkung des Rückforderungsanspruchs: Die Anhaltspunkte für ein unbedingtes Behaltendürfen der Leistung müssten hier eindeutig sein.

BFH, Urteil vom 14.04.2021 - III R 1/20

Redaktion beck-aktuell; Michael Dollmann, Mitglied der NJW- und beck-aktuell-Redaktion, 13. August 2021.