Grundstück ging an Stadt über
Im Streitfall hatte der Kläger an einem unbebauten Grundstück im Jahr 2005 einen zusätzlichen Miteigentumsanteil durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erworben. Hierdurch wurde er Alleineigentümer des Grundstücks. Im Jahr 2008 führte die Stadt, in der das Grundstück belegen war, ein Bodensonderungsverfahren durch und erließ einen dieses Grundstück betreffenden und an den Kläger gerichteten Sonderungsbescheid nach dem Bodensonderungsgesetz, mit dem das Eigentum an dem Grundstück auf die Stadt überging. Der Kläger erhielt eine Entschädigung in Höhe von 600.000 Euro für das gesamte Grundstück.
FG: Kein steuerbarer Gewinn bei hoheitlicher Übertragung
Das Finanzamt sah in der Enteignung in Bezug auf den in der Zwangsversteigerung erworbenen Miteigentumsanteil ein Veräußerungsgeschäft im Sinn des § 23 EStG und setzte entsprechend dem Zufluss der Entschädigungszahlungen – nach mehreren Änderungen – in den Einkommensteuerbescheiden des Klägers für die Streitjahre 2009 und 2012 einen Veräußerungsgewinn von 175.244,97 Euro (2009) und von 43.500 Euro (2012) fest. Das Finanzgericht gab der Klage statt: die hoheitliche Übertragung des Eigentums an einem Grundstück führe nicht zu einem steuerbaren Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft.
Erforderliche willentliche Übertragung auf andere Person fehlt
Der BFH hat die Entscheidung des FG jetzt bestätigt. Private Veräußerungsgeschäfte sind gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG unter anderem Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, soweit der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Die Begriffe "Anschaffung" und "Veräußerung" würden entgeltliche Erwerbs- und Übertragungsvorgänge erfassen, die wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen. Sie müssten Ausdruck einer wirtschaftlichen Betätigung sein. An einer willentlichen Übertragung auf eine andere Person fehle es, wenn – wie im Fall einer Enteignung – der Verlust des Eigentums am Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen (und gegebenenfalls auch gegen seinen Willen) stattfindet. Diese am Wortlaut orientierte Gesetzesauslegung entspreche, wie der BFH in seinem Urteil betonte, dem historischen Willen des Gesetzgebers. Sie sei auch vor dem Hintergrund eines systematischen Auslegungsansatzes folgerichtig.