Erbschaftsteuerbefreiung trotz vorzeitigen Auszugs aus Familienheim
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Zieht der überlebende Ehepartner aus dem geerbten Familienheim nach knapp zwei Jahren aus, weil ihm die weitere Nutzung aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar ist, verliert er nicht die Erbschaftsteuerbefreiung. Das hat der Bundesfinanzhof klargestellt. Grund­sätz­lich setze die Steu­er­be­frei­ung zwar vor­aus, dass der Erbe das ge­erb­te Fa­mi­li­en­heim für zehn Jahre selbst nutzt. Dies gelte je­doch nicht, wenn er aus "zwin­gen­den Grün­den" daran ge­hin­dert sei, so das Ge­richt.

Frau litt unter Depressionen

Die Klägerin wurde nach dem Tod ihres Ehemanns aufgrund Testaments Alleineigentümerin des Familienheims. Nach knapp zwei Jahren veräußerte sie das Haus und zog in eine Eigentumswohnung. Die Klägerin berief sich gegenüber dem Finanzamt und dem Finanzgericht erfolglos darauf, sie habe wegen einer depressiven Erkrankung, die sich nach dem Tod ihres Ehemannes gerade durch die Umgebung des ehemals gemeinsam bewohnten Hauses verschlechtert habe, dieses auf ärztlichen Rat verlassen. Das FG war der Ansicht, es habe keine zwingenden Gründe für den Auszug gegeben, da der Klägerin nicht die Führung eines Haushalts schlechthin unmöglich gewesen sei.

Unzumutbarkeit der Selbstnutzung als "zwingender Grund"

Der BFH hat das erstinstanzliche Urteil jetzt aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Grundsätzlich setze die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG voraus, dass der Erbe für zehn Jahre das geerbte Familienheim selbst nutzt, es sei denn, er ist aus "zwingenden Gründen" daran gehindert. "Zwingend", so der BFH, erfasse nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung des Familienheims. Diese könne auch gegeben sein, wenn der Erbe durch den Verbleib im Familienheim eine erhebliche Beeinträchtigung seines Gesundheitszustands zu gewärtigen habe. Ähnlich hat der BFH kürzlich auch zur Steuerbefreiung für erbende Kinder entschieden. In dem jetzt entschiedenen Fall muss das FG im zweiten Rechtsgang - gegebenenfalls mit Hilfe ärztlicher Begutachtung - die geltend gemachte Erkrankung einschließlich Schwere und Verlauf prüfen.

BFH, Urteil vom 01.12.2021 - II R 1/21

Redaktion beck-aktuell, 4. August 2022.