Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer

Verweist ein unzuständiges Gericht ein isoliertes PKH-Verfahren erst 45 Monate nach Verfahrenseingang weiter, muss das zuständige Gericht das Verfahren grundsätzlich unverzüglich fördern. Bleibt dieses Gericht allerdings selbst über einen Zeitraum von 14 Monaten untätig, so ist dies laut Bundesfinanzhof unangemessen. Für die entstandenen Nachteile müsse ein Prozessbeteiligter angemessen entschädigt werden.

Zuständiges Gericht blieb 14 Monate lang untätig

Eine heute in Bulgarien lebende Frau verlangte eine Entschädigung in Höhe von 1.500 Euro wegen unangemessener Verfahrensdauer in einem PKH-Verfahren vor dem FG. Damit wollte sie von der Deutschen Rentenversicherung Altersvorsorgezulagen einklagen. Der Prozess war zunächst seit Ende 2013 beim SG Berlin anhängig. Für den Fall, dass dieses hierfür nicht zuständig sein sollte, hatte sie bereits im ersten Schriftsatz die Verweisung an das zuständige Gericht beantragt. Der Sozialrichter teilte im Februar 2014 mit, er prüfe seine Zuständigkeit, blieb aber bis März 2017 untätig. Erst dann erklärte er den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das FG. Im September 2017 sandte das SG die Verfahrensakten an das FG Berlin-Brandenburg, das im Zeitraum vom Februar 2018 bis April 2019 (insgesamt 14 Monate) untätig blieb. Im Juli 2019 lehnte das FG den PKH-Antrag ab, weil für die Ansprüche aus 2006 bis 2012 kein Vorverfahren durchgeführt worden sei und es sich nicht um eine Untätigkeitsklage handele.

Bereits stark verzögertes Verfahren ist unverzüglich zu fördern

Der BFH gab der Klage überwiegend statt. Aus seiner Sicht war die Klägerin angemessen zu entschädigen, da sie infolge der langen Verfahrensdauer Nachteile erlitten hatte (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG). Er monierte, es sei nicht Aufgabe eines unzuständigen Gerichts, das Verfahren zur Entscheidungsreife zu führen, sondern das Verfahren so schnell wie möglich an das zuständige Gericht abzugeben. Das Ausgangsverfahren sei bereits seit Ende 2013 beim SG anhängig gewesen und erst im September 2017 - nach Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses - beim FG eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Verfahrensdauer bereits als deutlich unangemessen anzusehen gewesen. Dem X. Senat zufolge wäre es nicht sachgerecht, dem FG, an das die Sache zuständigkeitshalber verwiesen wurde, für das bereits erkennbar stark verzögerte Verfahren einen weiteren Nichtbearbeitungszeitraum von acht Monaten zuzugestehen. Vielmehr müsse ein solches Verfahren grundsätzlich unverzüglich gefördert werden. Den Akten lasse sich von Februar 2018 bis März 2019 (insgesamt 14 Monate) aber keine gerichtliche Aktivität entnehmen. Auf Schriftsätze der Frau habe das FG nicht reagiert. Laut BFH hätte das FG jedenfalls ab März 2018 - sechs Monate nach Eingang der Akten - das Verfahren fördern müssen.

BFH, Urteil vom 14.04.2021 - X K 3/20

Redaktion beck-aktuell, 8. Oktober 2021.