Das Finanzgericht Münster hatte der Klage einer Steuerzahlerin zur Umsatzsteuer 2014 stattgegeben und die Revision zugelassen. Das Urteil wurde dem beklagten Finanzamt am 16.11.2021 elektronisch zugestellt, woraufhin dieses am 26.11.2021 fristgerecht Revision einlegte. Auf Antrag der Behörde wurde die Revisionsbegründungsfrist bis zum 17.02.2022 verlängert. Zwei Tage vor Ablauf unternahm das Finanzamt den Versuch, die Begründung elektronisch zu übermitteln und sendete dem BFH zudem per Telefax die "in der elektronisch übermittelten Revisionsbegründung vom 15.02.2022 angekündigten Anlagen".
Der BFH teilte der Behörde am 18.02. mit, dass die Revisionsbegründung nicht vorliege. Daraufhin betrieb das Finanzamt Ursachenforschung. Es reichte schließlich am 02.03.2022 den Schriftsatz elektronisch ein und beantragte die Wiedereinsetzung: Es habe ohne eigenes Verschulden die Frist nicht einhalten können. Das in der Finanzverwaltung genutzte Programm "X" sei wegen eines unbekannten Programmfehlers nicht in der Lage gewesen, eine xml-Datei mit Klammerzusatz im Dateinamen weiterzuverarbeiten und damit an den BFH zu übermitteln. Mangels Fehlermeldung des Rechenzentrums der Finanzverwaltung habe für sie kein Grund bestanden, an einer erfolgreichen Übermittlung zu zweifeln, verteidigte sich die Behörde.
Empfangsbestätigung des Gerichts ist zu kontrollieren
Dem widerspricht der XI. Senat des BFH. Nach § 52d Satz 1 FGO ist die Revisionsbegründungsschrift von Behörden ab dem 01.01.2022 verpflichtend elektronisch zu übermitteln. Die Bundesrichter betonen, dass dabei die gleichen Regeln für alle gelten – seien es Anwälte, Steuerberater ober Behörden. Bei elektronischer Einreichung eines Dokuments müsse überprüft werden, ob eine automatisierte Eingangsbestätigung (§ 52a Abs. 5 Satz 2 FGO) vorliegt. Dies habe das Finanzamt schuldhaft unterlassen und erhalte somit keine Wiedereinsetzung.
Kein Spielraum für eigene Regeln
Die Münchener Richter stellen klar, dass sich das Finanzamt auch nicht mit etwaigen Anweisungen von oben entlasten könne. Beruhe die unterlassene Prüfung der Eingangsbestätigung möglicherweise auf verwaltungsinternen Regelungen, würde das ein Organisationsverschulden der Finanzverwaltung darstellen, das sich das Finanzamt zurechnen lassen müsste. Mit Blick auf die Rechtsprechung des BGH war die Kontrollpflicht für das Finanzamt nach Ansicht des BFH auch erkennbar. Die Finanzverwaltung habe außerdem keinen Spielraum, ihre Sorgfaltspflichten selbst zu definieren, und an die eigene Sorgfalt geringere Anforderungen zu stellen als sie andere Nutzer des elektronischen Rechtsverkehrs treffen.