Betrieb von Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften ist umsatzsteuerfrei
Lorem Ipsum
© Utirolf / stock.adobe.com

Der für Länder und Kommunen erfolgende Betrieb von Flüchtlingsunterkünften durch eine GmbH ist ebenso von der Umsatzsteuer befreit wie der Betrieb einer kommunalen Obdachlosenunterkunft. Bei dem Betrieb solcher Unterbringungseinrichtungen handele es sich um anerkanntermaßen eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen, entschied der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 24.03.2021.

FG hielt Betrieb von Unterbringungseinrichtungen für umsatzsteuerpflichtig

Im Streitfall bewirtschaftete die Klägerin - eine GmbH - eine Vielzahl von Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge, Aussiedler und Obdachlose. Dabei handelte es sich sowohl um Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge in kommunaler Trägerschaft als auch um Erstaufnahmeeinrichtungen verschiedener Bundesländer sowie um eine städtische Obdachlosenunterkunft. In der Regel verantwortete die Klägerin insbesondere die Ausstattung der jeweiligen Unterkunft, deren Reinigung und personelle Besetzung sowie die soziale Betreuung der untergebrachten Personen. Das Finanzamt behandelte die Umsätze der Klägerin aus dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte als umsatzsteuerpflichtig. Das Finanzgericht wies die dagegen gerichtete Klage ab. Die Klägerin legte Revision ein.

BFH gibt Revision statt

Der Bundesfinanzhof hat der Revision jetzt stattgegeben. Die Klägerin könne sich auf eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem berufen. Nach dieser Bestimmung seien eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen von der Steuer befreit, wenn sie von Einrichtungen bewirkt werden, die der betreffende Mitgliedstaat als sozial anerkannt hat. Dies sei vorliegend der Fall. Die Klägerin sei als Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt, insbesondere weil die Übernahme des Betriebs von Flüchtlingsunterkünften durch private Dritte in verschiedenen Bundesländern durch spezifische Vorschriften geregelt sei. Dabei sei unerheblich, dass die Klägerin ihre Leistungen nicht unmittelbar gegenüber den Flüchtlingen und Obdachlosen, sondern gegenüber den Trägern der Unterkünfte (Länder und Kommunen) erbracht habe.

Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte haben sozialen Charakter

Bei dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte handele es sich um eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen, die für die Unterbringung der Flüchtlinge und Obdachlosen auch unerlässlich seien, da die in den Unterkünften aufgenommenen Menschen wirtschaftlich hilfsbedürftig seien. Sie gehörten damit zu dem anerkanntermaßen begünstigten Personenkreis. Demgegenüber seien insbesondere die asylrechtliche Funktion der Flüchtlingsunterkünfte und der mit einer Obdachlosenunterkunft verfolgte Zweck der Gefahrenabwehr für die Umsatzsteuerbefreiung unerheblich. Da die Klägerin neben dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte weitere Umsätze tätigte und hierzu hinreichende Feststellungen fehlten, hat der Bundesfinanzhof die Sache an das Finanzgericht zurückgewiesen.

BFH, Urteil vom 26.08.2021 - V R 1/19

Redaktion beck-aktuell, 26. August 2021.