BFH befragt EuGH zur Umsatzsteuerpflicht bei Fahrschulen

Der Bundesfinanzhof zweifelt an der Umsatzsteuerpflicht für die Erteilung von Fahrunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B ("Pkw-Führerschein") und C1. Mit einem Beschluss vom 16.03.2017 hat er dem Gerichtshof der Europäischen Union daher die Frage vorgelegt, ob Fahrschulen insoweit steuerfreie Leistungen erbringen. Die vom EuGH zu treffende Entscheidung sei von erheblicher Bedeutung für die Umsatzbesteuerung der über 10.000 Fahrschulen in der Bundesrepublik Deutschland, betont der BFH. Sollte der EuGH eine Steuerfreiheit bejahen, werde sich die Anschlussfrage stellen, ob Fahrschulen den sich hieraus ergebenden Vorteil zivilrechtlich an ihre Kunden durch eine geänderte Preisbildung weitergeben (Az.: V R 38/16).

Unterrichtsleistungen nach deutschem Recht steuerpflichtig

Im Streitfall war die Klägerin unterrichtend zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B (Kraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse von höchstens 3.500 Kilogramm und zur Beförderung von nicht mehr als acht Personen außer dem Fahrzeugführer) und C1 (ähnlich wie Fahrerlaubnis B, aber bezogen auf Fahrzeuge mit einer Gesamtmasse von nicht mehr als 7.500 Kilogramm) tätig. Die Klägerin hatte für ihre Leistungen keine Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt. Nach nationalem Recht sind Unterrichtsleistungen zur Erlangung dieser Fahrerlaubnisse steuerpflichtig. Fahrschulen sind insoweit keine allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, wie es von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG vorausgesetzt wird. Im Streitfall fehlte es zudem an der dort genannten berufs- oder prüfungsvorbereitenden Bescheinigung.

Unionsrecht sieht möglicherweise Steuerfreiheit vor

Mit dem Vorabentscheidungsersuchen des BFH soll geklärt werden, ob der Fahrschulunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1 aus Gründen des Unionsrechts steuerfrei ist. Im Bereich der Umsatzsteuer habe der nationale Gesetzgeber die Bindungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) zu beachten, erläutert der BFH. Setze das nationale Recht eine Steuerfreiheit der Richtlinie nur ungenügend um, bestehe für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit, sich auf die Richtlinie zu berufen. Entscheidend sei für den Streitfall daher, dass nach der Richtlinie Unterricht, den sogenannte anerkannte Einrichtungen oder Privatlehrer erteilen, von der Steuer zu befreien ist (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL). Weitgehend identische Vorgängerbestimmungen gelten laut BFH bereits seit 1979 mit verbindlicher Wirkung.

EuGH soll Zweifel bei Auslegung der Richtlinie beseitigen

Im Streitfall bejahte der BFH den Unterrichtscharakter der Fahrschulleistung. Die zusätzlich erforderliche Anerkennung könne sich daraus ergeben, dass der Unterrichtende die Fahrlehrerprüfung nach § 4 FahrlG abgelegt haben muss. In Betracht komme auch eine Steuerfreiheit als Privatlehrer. Die Auslegung der Richtlinie sei aber zweifelhaft, sodass eine Entscheidung des EuGH einzuholen sei.

Streit um Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden

Der Vorlagebeschluss des BFH ist in einem Revisionsverfahren ergangen, in dem es um die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden geht. Nicht zu entscheiden war nach Mitteilung des BFH über eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Eine AdV sei bereits bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden möglich. Komme es in einem Revisionsverfahren zu einer Vorlage an den EuGH, sei dies im Allgemeinen zu bejahen.

BFH, Beschluss vom 16.03.2017 - V R 38/16

Redaktion beck-aktuell, 26. Juli 2017.

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