Anrechnung von nicht im EU-Ausland beantragten Familienleistungen auf deutsches Kindergeld

Der Anspruch auf Kindergeld kann nach deutschem Recht auch dann in Höhe des Anspruchs auf vergleichbare Familienleistungen im EU-Ausland zu mindern sein, wenn der im Ausland erwerbstätige Kindergeldberechtige die dort vorgesehenen Leistungen nicht beantragt hat. Das hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 09.12.2020 entschieden.

In Niederlanden arbeitender Deutscher bezog nur deutsches Kindergeld

Der Kläger lebt mit seiner Familie in Deutschland. Er bezog für seine beiden Kinder Kindergeld nach deutschem Recht. Die Ehefrau war nicht erwerbstätig. Im Dezember 2000 nahm der Kläger eine nichtselbstständige Erwerbstätigkeit in den Niederlanden auf, ohne dort die ihm für seine Kinder zustehenden Familienleistungen zu beantragen. Er machte der Familienkasse hiervon keine Mitteilung, sodass diese das Kindergeld weiterhin ungemindert auszahlte. Erst im Jahr 2016 erfuhr die Familienkasse von dessen Erwerbstätigkeit. Sie hob die Festsetzung des Kindergeldes für mehrere Jahre in der Höhe auf, in der ein Anspruch auf Familienleistungen in den Niederlanden bestanden hatte. Vor dem Finanzgericht erhielt der Kläger Recht.

BFH: Niederlande war vorrangig zur Kindergeldleistung verpflichtet

Der Bundesfinanzhof hat nunmehr in der Rechtsmittelinstanz das vorinstanzliche Urteil aufgehoben. Nach der unionsrechtlich vorzunehmenden Koordinierung der Familienleistungen seien vorliegend die Niederlande zur Leistungsgewährung vorrangig zuständig gewesen, weil der Kläger dort eine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe und die Ehefrau des Klägers in Deutschland nicht erwerbstätig gewesen sei.

Anspruch in Niederlanden nicht wegen fehlender Antragstellung ausgeschlossen

Deutschland hätte deshalb nur die Differenz zwischen dem deutschen Kindergeld und dem Anspruch auf die niedrigeren niederländischen Familienleistungen zahlen müssen. Der Anspruch des Klägers auf niederländische Familienleistungen sei auch nicht mangels Antragstellung in den Niederlanden ausgeschlossen gewesen. Der beim nachrangigen Träger gestellte Antrag auf deutsches Kindergeld sei unionsrechtlich so zu behandeln, als wäre er beim vorrangig zuständigen Staat gestellt worden.

BFH, Urteil vom 09.12.2020 - III R 73/18

Redaktion beck-aktuell, 29. April 2021.