Akteneinsichtsrecht in Steuerverfahren

Ein Steuerpflichtiger hat im Finanzgerichtsverfahren das Recht, Akteneinsicht zu erhalten. Der Bundesfinanzhof betrachtet es als groben Verfahrensmangel, wenn das Gericht die Einholung der Informationen verweigert, obwohl dem weder das Steuergeheimnis noch der Datenschutz entgegensteht. Die Akteneinsicht sei eine Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs, um sich sachgerecht auf einen Gerichtstermin vorbereiten zu können.

Finanzgericht entscheidet ohne Kläger

Zwei Steuerpflichtige und ihr Anwalt, ein Sozietätspartner des betroffenen Steuerberaters, bekamen rund drei Wochen vor dem Gerichtstermin die Ladung. Der Prozessbevollmächtigte beantragte die Terminsverlegung, weil seine Mandanten zu dem Zeitpunkt im Urlaub seien und seine gesamte Kanzlei berufliche Termine mit Mandanten aus dem Ausland habe. Diese seien seit Längerem geplant und aufgrund der Pandemie schon mehrfach verschoben worden. Das Gericht lehnte die Aufhebung des Termins ab. Daraufhin legte der Anwalt einen Tag vor dem Termin das Mandat nieder. Ein anderer Rechtsanwalt legitimierte sich und beantragte Akteneinsicht und ebenfalls die Terminsverlegung – vergeblich. Obwohl der Vorsitzende wusste, dass der Anwalt den Fall nicht kannte, verhandelte das Gericht am nächsten Tag ohne die Kläger und ohne deren Vertreter. Er ließ protokollieren, dass trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen sei. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde beantragten die Kläger die Zulassung der Revision beim Bundesfinanzhof – mit Erfolg.

Akteneinsichtsrecht im Anspruch auf rechtliches Gehör mitinbegriffen

Der Bundesfinanzhof betonte, dass das Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG den Klägern auch den Zugang zu dem gesamten Verfahrensstoff gewährt. Die Gelegenheit einer Akteneinsicht sei die Voraussetzung dafür, ihr Verhalten im Prozess selbstbestimmt und situationsspezifisch gestalten zu können. Dieses Informationsrecht nach § 78 FGO kann den Münchener Richtern zufolge grundsätzlich nur nach § 78 Abs. 4 FGO, also zur Wahrung des Steuergeheimnisses oder des Datenschutzes, eingeschränkt werden. Dem neumandatierten Anwalt hätte deshalb unbedingt Akteneinsicht gewährt werden müssen, damit er sich sachgerecht auf den Gerichtstermin hätte vorbereiten können. Das Urteil beruhe auch nach § 119 Nr. 3 FGO auf diesem Verfahrensmangel. Deshalb hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zurück.

Keine Prozessverschleppung und kein Rechtsmissbrauch

Entgegen der Ansicht des sächsischen Finanzrichters habe den Anträgen der Anwälte das legitime Interesse nach Information zugrunde gelegen. Es sei der erste Verlegungsantrag der Kläger gewesen, daher habe keinerlei Anlass bestanden, eine Prozessverschleppungsabsicht anzunehmen. Zudem seien mehrere Alternativtermine angeboten worden. Weder die Kläger noch deren Prozessbevollmächtigter hätten damit rechnen müssen, dass das Verfahren auch in Abwesenheit der Prozessbeteiligten durchgeführt werde.

BFH, Beschluss vom 21.04.2023 - III B 41/22

Redaktion beck-aktuell, 26. Mai 2023.