Lebenslanger Nießbrauch von Frauen mehr wert als von Männern

Das Finanzamt darf zur Ermittlung des Kapitalwerts von Nießbrauch verschiedene Sterbetafeln für Männer und Frauen benutzen. Der BFH hält diese Differenzierung für gerechtfertigt, da sie zu realistischeren Ergebnissen führt.

Ein 74-jähriger Mann schenkte 2014 seinen drei Kindern GmbH-Anteile im Wert von jeweils knapp 800.000 Euro im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Nach der Vereinbarung behielt er sich aber einen lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch daran vor.

Sieben Jahre später beschied das Finanzamt den Nachkommen, sie müssten jeweils rund 2.000 Euro Schenkungsteuer abführen. Berechnungsgrundlage für den Kapitalwert des Nießbrauchs, der den Wert der Schenkung minderte, war die Sterbetafel des Statistischen Bundesamts. Diese wies für Männer seines Jahrgangs im Jahr 2014 eine geringere Lebenserwartung aus als für gleichaltrige Frauen. Die Kinder sahen darin eine Diskriminierung: Hätte eine Frau den lebenslangen Nießbrauch innegehabt, hätte sich die Steuer auf 0 Euro reduziert. Deshalb gingen alle drei gegen die Steuerbescheide vor – doch weder das FG noch der BFH folgte ihren Argumenten. 

Ungleichbehandlung gerechtfertigt

Der BFH (Urteil vom 20.11.2024 – II R 38/22; Parallelentscheidungen der beiden Geschwister unter II R 41/22 und II R 42/22) hält diese Differenzierung aber für verfassungsrechtlich gerechtfertigt: Sie diene dem legitimen Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen für die Schenkungsteuer zutreffend zu erfassen und damit eine gleichheitsgerechte Belastung der Steuerpflichtigen sicherzustellen. Da Frauen statistisch signifikant länger leben, ist es den Münchener Richterinnen und Richtern zufolge realitätsgerecht, die Sterbetafeln auch unterschiedlich anzulegen.

Soweit der Nachwuchs bemängelte, die Sterbefälle würden in § 14 BewG "mathematisch falsch" ermittelt, stieß er ebenfalls auf taube Ohren: Der Gesetzgeber habe ausdrücklich seinen Willen zum Ausdruck gebracht, die jeweils aktuelle Sterbetafel zur Ermittlung der voraussichtlichen Lebenserwartung zu nutzen. Diese Vorschrift sehe eine Abweichung nur vor, wenn sich herausstelle, dass die Typisierung wegen deutlich früheren Ablebens des Schenkers weit daneben lag. Einschränkend wiesen die obersten Steuerrichter in ihrer Pressemitteilung aber darauf hin, dass sie nicht über etwaige Auswirkungen des am 01.11.2024 in Kraft getretenen "Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag" (SBGG) zu befinden hatten.

BFH, Urteil vom 20.11.2024 - II R 38/22

Redaktion beck-aktuell, rw, 10. April 2025.

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