Der Vater des Enkels hatte gegenüber seinem eigenen Vater (Großvater des Enkels) vertraglich auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Damit galt der Vater zivilrechtlich als verstorben und hatte auch keinen Anspruch auf einen Pflichtteil (§ 2346 Abs. 1 BGB). Als der Großvater verstarb, wurde der Enkel gesetzlicher Erbe. Er meinte deshalb, dass ihm für die Erbschaft ein Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro zustünde. Das ist der Freibetrag, den er als Enkel erhalten würde, wenn sein Vater tatsächlich vorverstorben wäre (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG). Das Finanzamt gewährte ihm aber nur einen Freibetrag von 200.000 Euro - den Freibetrag, der ihm nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG als Enkel zustand, da sein eigener Vater noch am Leben war, als der Großvater starb (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG).
Wie schon beim FG Niedersachsen scheiterte der Enkel auch beim BFH (Urteil vom 31.07.2023 - II R 13/22). Laut BFH ist der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG eindeutig. Er benennt als Empfänger des höheren Freibetrags "Kinder verstorbener Kinder". Lediglich als verstorben geltende Kinder würden nicht genannt. Die erbschaftsteuerrechtlichen Freibetragsregelungen bezweckten die Begünstigung der Kinder. Bei den Enkeln habe der Gesetzgeber die familiäre Verbundenheit nicht als so eng angesehen und gebe ihnen einen geringeren Freibetrag.
Lediglich wenn die eigene Elterngeneration vorverstorben sei, sehe der Gesetzgeber die Großeltern für das Auskommen der "verwaisten Enkel" in der Pflicht und gewähre ihnen den höheren Freibetrag von 400.000 Euro. Eine Ausdehnung des höheren Freibetrags auf Kinder, die nur vom Gesetz als verstorben angesehen würden, die aber tatsächlich bei Tod des Großelternteils noch lebten, habe der Gesetzgeber nicht gewollt. Die Vergünstigung sei nicht geboten, wenn der Abkömmling des Erblassers noch lebt und weiterhin für die finanzielle Ausstattung seines Kindes (Enkel des Erblassers) sorgen kann.
Außerdem könne das von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossene Kind weiterhin bei Tod seines Elternteils testamentarisch erben und dann seinen eigenen Freibetrag als Kind in Höhe von 400.000 Euro in Anspruch nehmen. Erhielte gleichzeitig der Enkel auch den höheren Freibetrag gewährt, wäre das eine legale Steuerumgehungsmöglichkeit in Gestalt einer Doppelbegünstigung, die von Gesetzes wegen nicht gewollt sei. Daher sei die Norm auch verfassungsgemäß, so der BFH.