Warum ist das Problem jetzt so dringend?
Die Grenzwerte gelten nicht erst seit kurzem, sondern sind schon seit
2010 einzuhalten, wie das UBA betont. Und auch wenn die Belastungen
nun etwas sinken, werden sie in knapp 70 Städten immer noch gerissen – am heftigsten in München, Stuttgart und Köln. Die EU-Kommission hat
schon die Geduld mit Deutschland verloren, was auch Bundesumweltministerin
Barbara Hendricks (SPD) gerade in Brüssel zu spüren bekam. Eine Klage
wegen Verletzung von EU-Recht wird deshalb wahrscheinlicher. Und in
drei Wochen verhandelt dann auch das Bundesverwaltungsgericht über
Fahrverbote – ob sie rechtlich möglich sind und ob sie verhängt
werden müssen, um Bürger zu schützen. Konkret geht es um Düsseldorf
und Stuttgart, aber die Entscheidung wird auch grundsätzlich sein.
In meiner Stadt sind die Grenzwerte überschritten. Kommen jetzt
Fahrverbote?
Die Politik will Fahrverbote vermeiden – es ist offen, ob das klappt.
Die Entscheidung beim BVerwG könnte gleich nach der
Verhandlung am 22.02.2018 fallen. Wie es dann weitergehen könnte in
den betroffenen Städten, hängt vom Richterspruch ab. Denkbar wäre,
dass neue Gesetze her müssten, um Fahrverbote überhaupt organisieren
zu können – zum Beispiel mit einer "Blauen Plakette" für saubere
Autos, die in neuen Umweltzonen trotzdem fahren dürften.
Warum ist die Stadtluft sauberer geworden?
Das UBA geht von einem Mix von Gründen aus, die direkt in den Städten
gewirkt haben. Dazu zählen Tempolimits und verengte Straßen. Manche
Städte fördern den öffentlichen Nahverkehr und rüsten Busse nach.
Eine Rolle dürfte auch spielen, dass sich inzwischen mehr Käufer
einen Benziner anschaffen und keinen Diesel – wohl auch aus Sorge vor
Fahrverboten. Und dann sind da noch neue Abgas-Software und Prämien
für den Neuwagenkauf, um alte "Stinker" von den Straßen zu bekommen.
Das hatten deutsche Autobauer beim Dieselgipfel im Sommer 2017 zugesagt.
Jedoch, betont das UBA: "Beide Maßnahmen wirken erst seit Ende 2017." Und das Schadstoff-Minderungspotenzial sei generell nur begrenzt.
Und was ist sonst geplant, um die Luft zu verbessern?
UBA-Chefin Maria Krautzberger mahnt hartnäckig Umbauten an Motoren
an, um wirkliche Effekte zu erzielen. Die Autobauer lehnen das als zu
teuer und ineffizient ab. Politisch ist die Frage heikel: Von einer
beim Dieselgipfel im Sommer 2017 eingesetzten Expertengruppe liegt noch
kein Ergebnis vor. Auch in den Koalitionsverhandlungen von Union und
SPD geht es darum – das Sondierungsergebnis war da aber noch vage. Es
gibt bereits mehrere Förderprogramme, über die etwa Kommunen Geld für
Projekte abrufen können. Die 20 Städte mit der höchsten NOx-Belastung
sollen "sehr schnell" zusätzliche Unterstützung bekommen, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 01.02.2018 ankündigte.
Was ist überhaupt das Problem an Stickoxiden?
Stickstoffoxide, kurz Stickoxide oder NOx, sind giftige Gase. Sie
können Atemwege und Augen reizen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder
Lungenprobleme auslösen. Stickoxide sind Nebenprodukte in Kfz-Motoren – besonders Diesel – oder beim Verbrennen von Kohle, Öl, Gas, Holz und Müll. In den Städten steht Stickstoffdioxid, abgekürzt NO2, im
Fokus. Gesunde Menschen spüren die Folgen oft nicht direkt. An den
Straßen sind aber auch Babys, Alte und Kranke unterwegs. Das erklärt
auch, warum die Grenzwerte für Industriearbeitsplätze und im Handwerk
sehr viel höher sind und in normalen Büros etwas höher als auf der
Straße. Insgesamt ist der Verkehr für 40% der
Stickoxid-Emissionen verantwortlich, an stark befahrenen Straßen
natürlich deutlich mehr.
Wie wird die Luftverschmutzung eigentlich gemessen?
Es gibt kein flächendeckendes Netz von Messstationen. Die Standorte
sind aber nicht willkürlich verteilt, sondern nach festen, ziemlich
komplizierten Regeln. Sie sollen halbwegs repräsentativ für die
Umgebung und sogar für vergleichbare Orte sein, auch wenn sie
natürlich nur punktuell messen. Sogar die Windrichtung spielt eine
Rolle. Mindestens alle fünf Jahre wird überprüft, ob die Orte noch
geeignet sind. Wenn zum Beispiel eine Organisation wie die Deutsche
Umwelthilfe selbst nachmisst, ist das natürlich spannend – entspricht
aber nicht unbedingt den gesetzlichen Vorgaben.
Redaktion beck-aktuell, Teresa Dapp und Sascha Meyer, 2. Februar 2018 (dpa).
Aus der Datenbank beck-online
Lenz, Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Umweltzonen trotz grüner Plakette?, NVwZ 2017, 858
Faßbender, Der Dieselskandal und der Gesundheitsschutz, NJW 2017, 1995
Aus dem Nachrichtenarchiv
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