Gefährdungshaftung für Hersteller digitaler autonomer Systeme
In der Abteilung Zivilrecht wurden digitale autonome Systeme diskutiert. Der Fokus lag dabei auf der Ausgestaltung der Haftung. Was die Haftung des Herstellers solcher Systeme anbetrifft, plädiert der Juristentag für eine Ausdehnung der deliktischen Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB: Der Fehler eines autonomen digitalen Systems soll bereits dann widerleglich vermutet werden, wenn das System einen Schaden verursacht hat. Ferner soll dann die Kausalität des Fehlers für die Rechtsgutsverletzung des Geschädigten widerleglich vermutet werden. Weiter soll der EU-Gesetzgeber in der Produkthaftungsrichtlinie klarstellen, dass auch Software und digitale autonome Systeme erfasst werden. Der Hersteller soll dem Juristentag zufolge zudem künftig auch für Entwicklungsrisiken haften. Zudem spricht sich der Juristentag für eine Gefährdungshaftung der Hersteller digitaler autonomer Systeme aus. Bei der Betreiberhaftung befürwortet er Verschuldensvermutungen nach dem Vorbild der §§ 831 Abs. 1, 836 Abs. 1 BGB. Die Gefährdungshaftung für Kfz-Halter soll - auch für voll autonome Fahrzeuge - beibehalten werden. Ferner soll die Gefährdungshaftung nach dem Vorbild des § 7 StVG für sonstige Betreiber digitaler autonomer Systeme eingeführt werden. Die Ausstattung autonomer Systeme mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit (ePerson) wurde abgelehnt, ebenso die Schaffung einer KI-Unfallversicherung.
Schärfere Regulierung von Online-Plattformen
Die wirtschaftsrechtliche Abteilung befasste sich mit der Regulierung von Online-Plattformen und anderen Digitalunternehmen. Dabei wird nach den Beschlüssen weiterer Handlungsbedarf über den Digital Market Act (DMA) und die 10. GWB-Novelle hinaus gesehen. Der Juristentag sprach sich für zusätzliche Verhaltenspflichten für Plattformbetreiber aus, wobei dies grundsätzlich eine marktbezogene oder marktübergreifende Machtposition voraussetzen soll, etwa hinsichtlich Neutralitätspflichten. Für sogenannte Gatekeeper befürwortet er eine strengere Fusionskontrolle, indem etwa eine "erhebliche Verstärkung einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb" als Untersagungskriterium eingeführt wird. Machtunabhängig sollen "aggressive Designs" von Online-Diensten verboten werden. Beim Thema personalisierte Werbung lehnt der Juristentag ein generelles Verbot von auf persönlichen Profilen beruhender Werbung ab. Änderungen befürwortet der Juristentag zur Verbesserung "echter Auswahlentscheidungen" der Nutzer von Online-Diensten. Außerdem spricht er sich dafür aus, die Befugnisse des Bundeskartellamts bei der Durchsetzung von GWB- und AGB-Recht zu erweitern.
Erhöhung des Renteneintrittsalters, Selbstständige ohne Mitgliedschaft in berufsständischem Versorgungswerk in gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen
In der Abteilung Arbeits- und Sozialrecht debattierte der Juristentag über Reformbedarf bei der Altersvorsorge angesichts der demografischen Entwicklung. Er plädiert dafür, das Renteneintrittsalter ab 2030 zu erhöhen, auf eine Absenkung des Sicherungsniveaus der Rente "möglichst" zu verzichten und höhere Beitragssätze zu vermeiden. Eine wichtige Frage betraf den versicherten Personenkreis. Der Juristentag sprach sich dabei für eine Einbeziehung von Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung aus. Das solle allerdings nur für solche Selbstständige gelten, die nicht Mitglied in einem berufsständischen Versorgungswerk sind. Ferner fordert der Juristentag eine bessere Koordinierung der berufsständischen Versorgungswerke und der Beamtenversorgung mit der gesetzlichen Rentenversicherung. "Dabei sollen Kindererziehungszeiten unlimitiert bei allen kindererziehenden erwerbstätigen Versicherten zu gleichwertigen Rentenanwartschaften führen". Zudem ist der Juristentag dafür, die private Vorsorge weiter auszubauen und bei Geringverdienern und Familien staatlich zu fördern. Auch plädiert er für eine Flexibilisierung des Sozialpartnermodells in der betrieblichen Altersversorgung.
Gesetzliche Änderungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung
Im Fokus der Abteilung Öffentliches Recht stand "Die nachhaltige Stadt der Zukunft". Zur Umsetzung befürwortet der Juristentag eine Reihe gesetzlicher Änderungen, insbesondere im BauGB. So plädiert er für neue Planungsinstrumente, etwa eine integrative urbane Verkehrsplanung und eine Klimafolgenanpassungsplanung. Ferner spricht er sich für eine Flexibilisierung der Bauleitplanung aus. Für eine effektivere urbane Klimapolitik hält er die Verankerung klimaschützender Vorgaben für erforderlich, insbesondere auch in den örtlichen Bauvorschriften. Um mehr Wohnraum zu schaffen, soll unter anderem das Vorkaufsrecht der Städte gestärkt werden. Der Mieterschutz soll vorrangig im BGB geregelt werden, die Mietpreisbremse sei ein geeignetes Instrument zur Regelung der Miethöhe auf einem angespannten Wohnungsmarkt. Hingegen sei § 250 BauGB zu streichen, der bei einem angespannten Wohnungsmarkt einen Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum vorsieht.
Keine unabhängigen Kommissionen zur Besetzung von Richterpositionen
In der Abteilung Justiz befasste sich der Juristentag mit der Frage: "Empfehlen sich Regelungen zur Sicherung der Unabhängigkeit der Justiz bei der Besetzung von Richterpositionen?" Hinsichtlich der Besetzung von Richterstellen auf Bundesebene stellt der Juristentag fest, dass das Bundesrichterwahlverfahren "in erheblichem Maß der Einflussnahme und Steuerung durch die politischen Parteien" ausgesetzt sei. Der Vorschlag, angesichts positiver Erfahrungen im EU-Ausland und am EuGH und EGMR unabhängige Kommissionen für die Besetzung von Richterpositionen auf Bundes- und Landesebene einzurichten, fand dennoch keine Mehrheit. Auch der Vorschlag, die Besetzung des Bundesrichterwahlausschusses - durch Einbindung von Anwälten, Bundesrichtern und Rechtswissenschaftlern - zu ändern, konnte sich nicht durchsetzen. Die Wahl der Bundesrichter/innen soll nach dem Willen des Juristentages aber künftig wie beim BVerfG eine Zweidrittelmehrheit im Wahlausschuss - bislang genügt die Mehrheit - voraussetzen.
Zweidrittelmehrheit für BVerfG-Richterwahl im GG verankern
Hinsichtlich der Wahl der BVerfG-Richter/innen wurde der Vorschlag, diese statt durch Bundestag und Bundesrat künftig durch einen ausschließlich aus Richter/innen bestehenden Richterwahlausschuss wählen zu lassen, abgelehnt. Allerdings fordert der Juristentag, die einfachgesetzliche Zweidrittelmehrheit für die Wahl der BVerfG-Richter/innen, den Ausschluss der Wiederwahl und die Amtszeiten im Grundgesetz zu fixieren. Bei der Einstellung von Richtern auf Landeebene spricht sich der Juristentag dafür aus, die bestehenden Mitbestimmungsgremien der Richter und Staatsanwälte bei der Auswahl miteinzubeziehen. Richterauswahlausschüsse sollen wegen der Gefahr politischer Einflussnahme nicht eingebunden werden. In Konkurrentenstreitigkeiten fordert der Juristentag zum Zweck bundeseinheitlicher Auslegung, den Instanzenzug bzw. die Zuständigkeit neu zu regeln. In Verfahren um Bundesrichterstellen soll danach künftig allein das BVerwG zuständig sein. Den Vorschlag, das Lobbyregistergesetz auf die Justiz zu erstrecken, um die richterliche Unabhängigkeit durch mehr Transparenz zu sichern, lehnte der Juristentag ab.