Berufungsbegründung: Verweis auf andere Entscheidung kann ausreichen

Eine Berufungsbegründung, die auf eine andere Entscheidung aus einem Parallelverfahren mit im wesentlichen gleichen Sachverhalt verweist, kann den gesetzlichen Anforderungen genügen. Das hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 21.07.2020 entschieden. Kürzlich hatte der BGH in einem anderen "Diesel-Fall" reine Wiederholungen für unzureichend erklärt.

Vorinstanzen wiesen die Klage ab

Das Landgericht Kassel hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, es könne jedenfalls nicht von einem sittenwidrigen Verhalten von Skoda ausgegangen werden. Der Käufer habe schon nicht erkennen lassen, über welchen konkreten Umstand er getäuscht worden sei. Selbst wenn arglistig getäuscht worden sein sollte, unterfiele der vom Kunden behauptete Schaden nicht dem Schutzzweck des § 826 BGB. Dass das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung unter bestimmten Umständen einen Sachmangel darstellen könne, ändere hieran nichts. Daraufhin legte der Autofahrer im Dezember 2019 Berufung ein, die der 15. Zivilsenat des OLG Frankfurt a. M. (Kassel) als unzulässig verwarf: Der Schriftsatz dessen Anwalts setze sich mit dem Urteil und den tragenden Gründen nicht auseinander, sondern bestehe aus einer bloßen Verweisung ohne Aktenzeichen und Datum auf eine Entscheidung des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts.

BGH: Berufungsbegründung ausreichend

Die Beschwerde zum BGH führte zum Ziel: Er verwies die Sache an das OLG Frankfurt a. M. (Kassel) zurück. Aus Sicht der Karlsruher Richter hat das Berufungsgericht die Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO überspannt. Danach müssten die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergäben (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Weiter müssten konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen begründeten (Nr. 3), benannt werden.

Sachverhaltsgleiches Parallelverfahren

Dem BGH zufolge wird der Schriftsatz des Rechtsanwalts des Käufers diesen Anforderungen unter den besonderen Umständen des Falls noch gerecht. Ihm lasse sich in noch ausreichender Weise entnehmen, dass der Autofahrer den Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung weiterverfolgen wolle. Grundsätzlich sei eine Bezugnahme auf andere Urteile allein nicht ausreichend. Hier habe es sich aber um ein Parallelverfahren zu einem weitestgehend übereinstimmenden Sachverhalt gehandelt - das Aktenzeichen sei im Übrigen im Schriftsatz genannt worden. Das OLG habe die Ausführungen des Schwestersenats des OLG überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, so der Vorwurf an die Kasseler Adresse. Entscheidend war aus Sicht des VI. Zivilsenats, dass alle Fragen, mit denen sich das Landgericht in der angegriffenen Entscheidung auseinandergesetzt habe, in dem Urteil nacheinander behandelt und im Sinne des Käufers  entschieden worden seien.

BGH, Beschluss vom 21.07.2020 - VI ZB 7/20

Redaktion beck-aktuell, 28. September 2020.