Berlins Verfahren zur Vergabe von Corona-Testzentren rechtswidrig

Der Vergabesenat des Kammergerichts hat gestern das Vergabeverfahren des Landes Berlin für den Betrieb von zwölf landeseigenen stationären Corona-Testzentren, der für den Zeitraum Dezember 2021 bis März 2022 geplant war, für vergaberechtswidrig erklärt (Az.: Verg 2/22). Außerdem stellte der Senat fest, dass die Beauftragung der beigeladenen GmbH im Wege der Direktvergabe ohne Einholung von Vergleichsangeboten ebenfalls vergaberechtswidrig war und die Antragstellerin – ebenfalls eine GmbH – in ihren Rechten verletzt hat (Az.: Verg 1/22).

Ansicht der Vergabekammer Berlin bestätigt

Die Entscheidung des Vergabesenats zu diesem Vergabenachprüfungsverfahren erging aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2022 mit zwei in öffentlicher Sitzung verkündeten Beschlüssen über die sofortigen Beschwerden des Landes Berlin gegen zwei vorangegangene Entscheidungen der Vergabekammer des Landes Berlin vom 18.01.2022. Der Vergabesenat als erste gerichtliche Instanz bestätigte damit in beiden Beschlüssen im Wesentlichen die bereits von der Vergabekammer des Landes Berlin vertretene Auffassung.

Eerfolgreiches Vergabenachprüfungsverfahren

Im vom Gericht mitgeteilten Fall hatte das Land Berlin mit europaweiter Bekanntmachung vom 20.09.2021 die Einrichtung und den Betrieb von insgesamt zwölf Corona-Testzentren unter anderem zur Durchführung von Antigen-Schnelltests und PCR-Tests im Rahmen seines landesweiten Testkonzepts ausgeschrieben. Neben anderen Bietern reichten die hiesige Antragstellerin und die hiesige Beigeladene jeweils Angebote ein. Das Land Berlin teilte der Antragstellerin mit, dass sie von dem Verfahren ausgeschlossen werden solle, da ihre Referenzen nicht ausreichten. Der Zuschlag solle an die Beigeladene ergehen. Das von der Antragstellerin als ausgeschlossener Bieterin gegen diese Entscheidung eingeleitete Vergabenachprüfungsverfahren hatte vor der Vergabekammer des Landes Berlin Erfolg (Az.: VK-B1-43/21).

Vergabekammer hält auch Interimsvergabe für rechtswidrig

Zur Überbrückung der Versorgungslücke während des Nachprüfungsverfahrens erteilte das Land der hiesigen Beigeladenen interimsweise den Zuschlag zunächst für Dezember 2021, in der Folge dann auch jeweils für die Monate Januar bis März 2022. Auch diese Praxis hatte die Vergabekammer des Landes Berlin mit Beschluss ebenfalls vom 18.01.2022 (Az.: VK-B1-52/21), der sich allein auf die Interimsvergabe für den Monat Dezember 2021 bezog, für vergaberechtswidrig erklärt.

Beschwerde des Landes gegen beide Entscheidungen erfolglos

Die gegen beide Entscheidungen eingelegten sofortigen Beschwerden blieben vor dem Vergabesenat des KG ohne Erfolg. Der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin sei nicht gerechtfertigt gewesen. Insbesondere hätten die die Eignung der Antragstellerin belegenden Referenzen ausgereicht. Dass die Antragstellerin lediglich Erfahrungen beim Betrieb sogenannter freier Testzentren – allerdings aufgrund einer Zertifizierung durch das Land – habe nachweisen können, sei aufgrund der in der Ausschreibung vom Land Berlin selbst formulierten Anforderungen ausreichend gewesen, so das KG.

Auch Interimsvergabe rechtswidrig – kein Berufen auf zeitliche Drucksituation

Darüber hinaus stellte der Vergabesenat klar, dass der von dem Land Berlin zur Schließung der Versorgungslücke während des Nachprüfungsverfahrens interimsweise und jeweils von Monat zu Monat an die Beigeladene beauftragte Betrieb der Testzentren gegen ein bestehendes Zuschlagsverbot verstoßen habe. Er sei damit ebenfalls vergaberechtswidrig erfolgt und habe die Antragstellerin auch in ihren Rechten verletzt. Die vom Land Berlin in Anspruch genommene zeitliche Drucksituation könne nicht zur Rechtfertigung dienen, da nach dem maßgeblichen EU-Recht die zur Begründung der besonderen Dringlichkeit angeführten Umstände auf keinen Fall dem öffentlichen Auftraggeber zuzuschreiben sein dürften. Hier aber sei die Versorgungslücke notwendige Folge des vom Land Berlin selbst fehlerhaft betriebenen Vergabeverfahrens gewesen.

KG, Beschluss vom 10.05.2022 - Verg 1/22

Gitta Kharraz, Redaktion beck-aktuell, 11. Mai 2022.