Berliner Mietendeckel in Kraft getreten – Verfassungsklagen angekündigt

Am 23.02.2020 ist der Berliner Mietendeckel in Kraft getreten. In einem bundesweit einmaligen Gesetz friert Berlin für 1,5 Millionen Wohnungen die Mieten für fünf Jahre ein. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) glaubt, dass das Modell auch andernorts taugt. CDU und FDP haben hingegen Verfassungsklagen auf Bundes- wie auf Landesebene angekündigt.

CDU und FDP: Mietendeckel verfassungswidrig und kontraproduktiv

CDU und FDP sehen ebenso wie Wirtschaftsverbände einen zu schwerwiegenden Eingriff in das Privateigentum und gehen davon aus, dass die Mietenpolitik Sache des Bundes ist. "Der Mietendeckel ist verfassungswidrig und wird dafür sorgen, dass keine neuen Wohnungen entstehen und alte nicht saniert werden. Damit erweist Rot-Rot-Grün den Mietern einen Bärendienst", erklärte der wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst, am 22.02.2020.

Mieterbund: Mietendeckel könnte beim BVerfG scheitern

Auch aus Sicht des Deutschen Mieterbunds (DMB) ist der Berliner Mietendeckel ein Wagnis. Das Land Berlin betrete mit dem Gesetz juristisches Neuland, sagte DMB-Geschäftsführer Ulrich Ropertz der Deutschen Presse-Agentur. Es sei denkbar, dass der Mietendeckel beim Bundesverfassungsgericht scheitere. "Es ist trotzdem richtig, dass das Land Berlin versucht, die Mietpreisspirale zu stoppen. Der Bundesgesetzgeber hat es in den letzten Jahren versäumt, wirksame Leitplanken im Mieterhöhungsrecht zu verabschieden", so Ropertz.

Müller hofft auf rasche Rechtssicherheit

Angesichts der angekündigten Klagen hofft Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller auf rasche Rechtssicherheit: "Damit die Menschen wissen, dass sie sich auf den Mietendeckel verlassen können", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Für die Berliner biete der Mietendeckel eine "Atempause vor Mieterhöhungen". "Gleichzeitig werden wir die Zeit nutzen, neue bezahlbare Wohnungen zur Entlastung des Mietenmarktes zu bauen", versprach Müller. Sollte der Mietendeckel vor Gericht bestehen, erwartet Müller Nachahmer: Debatten über stark steigende Wohnkosten würden in etlichen großen Städten geführt. Vor diesem Hintergrund schauten viele jetzt "mit großem Interesse und sehr genau" nach Berlin.

Senatorin: Mietniveau in Berlin aus den Fugen geraten

Der Mietendeckel nimmt nach Einschätzung von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher vielen Menschen die Sorge vor der nächsten Mieterhöhung. Das Gesetz, bringe "das aus den Fugen geratene Mietniveau in Berlin wieder in eine Balance", betonte die Linken-Politikerin. "Politik hat die Verantwortung dafür zu sorgen, dass sich Menschen ein Dach über dem Kopf leisten können", sagte Lompscher. "Auch wenn das Gesetz voraussichtlich gerichtlich überprüft wird, sind wir zuversichtlich." Lompscher betonte, dass der Mietendeckel allein nicht ausreiche. Daneben sei mehr bezahlbarer Neubau unverzichtbar, um den Wohnungsmarkt zu entspannen. "Der Neubau wurde ganz bewusst vom Mietendeckel ausgenommen, denn die kommenden fünf Jahre sollen intensiv genutzt werden, um die Situation auf dem Wohnungsmarkt spürbar zu verbessern", sagte die Senatorin.

Mieterbund erwartet mittelfristig niedrigere Mieten

Der Deutsche Mieterbund rechnet durch das Gesetz mit mittelfristig niedrigeren Mieten. Das Gesetz verschaffe Mietern eine fünfjährige Atempause, sagte DMB-Geschäftsführer Ropertz. Es sei aber strittig, ob das Land überhaupt die Kompetenz dafür habe. Möglicherweise problematisch sei etwa das Zusammenwirken des neuen Gesetzes mit dem bisherigen Mietrecht. "Und Streit ist auch bei der Frage vorprogrammiert, wie und welche Mieterhöhungen nach fünf Jahren Mietendeckel möglich sind."

Immobilienwirtschaft warnt vor Investitionsrückgang

Die Immobilienwirtschaft hofft auf einen Erfolg der durch die von CDU und FDP angekündigte Normenkontrollklage. Investoren hätten sich bereits von Bauabsichten in Berlin zurückgezogen, berichtete der Präsident des Branchenverbands Zentraler Immobilienausschuss (ZIA), Andreas Mattner, am 23.02.2020. «Ich werde nicht müde zu sagen, dass Menschen, die nach Berlin kommen wollen, noch schwieriger eine Wohnung finden werden als bisher. Einkommensschwache Mieter konkurrieren dann mit einkommensstarken Mietern um die Restbestände», warnte er. Der ZIA spricht unter anderem für 28 deutsche Immobilienverbände.

Neuregelung auf fünf Jahre befristet

Das Mietendeckel-Gesetz ist auf fünf Jahre befristet. Ausgenommen sind Neubauwohnungen, die ab 01.01.2014 bezugsfertig wurden, aber auch Sozialwohnungen mit Mietpreisbindung oder Wohnheime. Konkret werden die meisten Mieten auf dem Niveau vom 18.06.2019 eingefroren – an dem Tag hatte der Senat erste Eckpunkte beschlossen. Wird eine Wohnung künftig wieder vermietet, muss sich der Vermieter an neue, vom Staat festgelegte Obergrenzen und die zuletzt verlangte Miete halten. Ab 2022 dürfen die Mieten zum Inflationsausgleich um bis zu 1,3% jährlich steigen.  

Rückforderung überhöhter Mieten

Vorgesehen ist auch eine Möglichkeit für Mieter, vor Gericht gegen überhöhte Mieten zu klagen und sich Geld zurückzuholen. Dieser Teil soll aber erst in etwa neun Monaten in Kraft treten. Bei Verstößen gegen den Mietendeckel drohen Vermietern bis zu 500.000 Euro Bußgeld.

Redaktion beck-aktuell, 24. Februar 2020 (dpa).