Belarus: Oppositionelle Kolesnikowa zu elf Jahren Haft verurteilt

Die belarussische Oppositionelle Maria Kolesnikowa wurde in einem international kritisierten Prozess wegen des angeblichen Versuchs der illegalen Machtergreifung zu elf Jahren Haft verurteilt. Das hat nach Angaben belarussischer Staatsmedien das Gericht heute in Minsk mitgeteilt. Kolesnikowa war im Herbst letzten Jahres im Zuge der Proteste gegen Machthaber Alexander Lukaschenko festgenommen worden.

Anwalt Snak zu zehn Jahren Haft verurteilt

Der mit Kolesnikowa angeklagte Anwalt Maxim Snak erhielt zehn Jahre Haft. Der international kritisierte Prozess gegen die 39-Jährige und Snak hatte Anfang August begonnen. Kolesnikowa hatte sich im vergangenen Jahr im Wahlkampf gegen Lukaschenko engagiert - als Managerin für den ebenfalls inhaftierten früheren Bankier Viktor Babariko, der Präsident werden wollte. Nach den Fälschungsvorwürfen gegen die Präsidentenwahl hatte sich Kolesnikowa den Massenprotesten gegen Lukaschenko angeschlossen. Mit Snak und anderen Lukaschenko-Gegnern gründete sie den Koordinierungsrat für eine friedliche Machtübergabe in Belarus. Die Behörden des autoritären Landes warfen ihr eine Verschwörung mit dem Ziel einer illegalen Machtergreifung sowie die Gründung und Führung einer extremistischen Vereinigung vor.

Kolesnikowa: "Absurde Anschuldigung"

Die Oppositionelle sprach in einem schriftlich geführten Interview des unabhängigen russischen Internetsenders Doschd von einer "absurden Anschuldigung". Das sei ein weiteres Beispiel für die "Gesetzlosigkeit des Polizeistaates". Kolesnikowa formte mit ihren Händen in Handschellen ein Herz in einem Gitterkäfig vor Gericht. Vor dem Gerichtsgebäude bildete sich eine lange Menschenschlange. Zum Prozessauftakt hatten Kolesnikowa und Snak in einem vergitterten Glaskasten in einem Gericht in der Hauptstadt Minsk gesessen. Zu der Verhandlung hinter verschlossenen Türen waren nur Staatsmedien zugelassen - nicht aber Familienangehörige. Die Urteilsverkündung am Montag war dagegen öffentlich.

Sanktionen gegen Belarus ohne Wirkung

Die Bundesregierung hatte wiederholt die Freilassung der früheren Stuttgarter Kulturmanagerin gefordert. Wegen des Vorgehens gegen Andersdenkende hatten auch die EU und die USA wiederholt Sanktionen gegen Belarus erlassen. Der Machtapparat in Minsk zeigte sich davon stets unbeeindruckt. Lukaschenko, der als "letzter Diktator Europas" gilt, wird vor allem vom russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstützt. Anfang September 2020 wurde Kolesnikowa vom Geheimdienst KGB in Minsk entführt. Als sie in die Ukraine abgeschoben werden sollte, zerriss sie kurz vor dem Grenzübergang ihren Pass und vereitelte so Pläne, sie aus dem Land zu vertreiben. Sie hatte immer wieder deutlich gemacht, den Kampf gegen Lukaschenko im Land führen zu wollen. Kolesnikowa war im Zuge der Präsidentenwahl vom 09.08.2020 zusammen mit Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo international bekannt geworden. Die beiden anderen Frauen sind im Ausland im Exil.

Redaktion beck-aktuell, Ulf Mauder und Christian Thiele, 6. September 2021 (dpa).