BayVerfGH: Klassikliebhaber müssen geplante ausschließlich digitale Verbreitung des Hörfunkprogramms BR-Klassik hinnehmen

Klassikliebhaber sind vor dem Verfassungsgerichtshof Bayern mit ihrer Klage gegen den geplanten Austausch von BR-Klassik gegen das Programm PULS auf der UKW-Frequenz gescheitert. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschied, dass Art. 2 Abs. 4 des Bayerischen Rundfunkgesetzes (BayRG), der den Austausch eines in digitaler Technik verbreiteten Hörfunkprogramms gegen ein in analoger Technik verbreitetes Hörfunkprogramm unter bestimmten Voraussetzungen zulässt, mit der Bayerischen Verfassung vereinbar sei. Ein unauflösbarer Widerspruch zwischen Art. 2 Abs. 4 BayRG und dem Rundfunkstaatsvertrag sei nicht ersichtlich. Der Bayerische Rundfunk (BR) erfülle seinen Grundversorgungsauftrag durch sämtliche von ihm verbreiteten zehn Hörfunkprogramme, unabhängig davon, ob ein Hörfunkprogramm terrestrisch analog oder digital verbreitet wird, heißt es in der Entscheidung vom 17.07.2017 weiter. Auch sei der geplante Austausch von BR-Klassik gegen das Programm PULS auf der UKW-Frequenz im Popularklageverfahren kein zulässiger Prüfungsgegenstand (Az.: Vf. 9-VII-15).

Aufschaltung des Jugendprogramms PULS soll dessen Reichweitenanteil erhöhen

Die Popularklage betrifft die Frage, ob Art. 2 Abs. 4 BayRG, der den Austausch eines in digitaler Technik verbreiteten Hörfunkprogramms gegen ein in analoger Technik verbreitetes Hörfunkprogramm zulässt, wenn die Anzahl der analogen Hörfunkprogramme nicht vergrößert wird und dadurch insgesamt keine Mehrkosten entstehen, mit der Bayerischen Verfassung vereinbar ist. Hintergrund der Popularklage ist ein Beschluss des Rundfunkrats vom 10.07.2014, wonach der BR beabsichtigt, das bislang auch analog über UKW ausgestrahlte Hörfunkprogramm BR-Klassik ab 2018 nur noch digital zu verbreiten und stattdessen das bislang nur digital verbreitete Jugendprogramm PULS auch analog zu verbreiten. Mit der Aufschaltung von PULS auf die UKW-Frequenz soll dessen Reichweitenanteil deutlich erhöht werden.

Klassikliebhaber sehen Rundfunkfreiheit und Rundfunkempfangsfreiheit verletzt

Die Antragsteller, Musiker und Liebhaber klassischer Musik, sind der Ansicht, Art. 2 Abs. 4 BayRG, der den geplanten Frequenzwechsel ermöglichen solle, sei mit dem Rundfunkstaatsvertrag nicht vereinbar und verstoße gegen die Bayerische Verfassung. Aus der Rundfunkfreiheit und dem vom Schutzbereich des Grundrechts umfassten Grundversorgungsauftrag ergebe sich eine Verpflichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, seine Programme in einer technischen Form zu verbreiten, die für die Mehrheit der Hörer auch tatsächlich zu empfangen sei. Wenn Hörer erst ein Digitalradio erwerben müssten, liege hierin eine unzulässige Erschwernis. Dadurch sei auch die Rundfunkempfangsfreiheit verletzt. Der Bayerische Landtag, die Bayerische Staatsregierung und der BR haben Bedenken gegen die Zulässigkeit der Popularklage und halten diese für jedenfalls unbegründet.

Entscheidung zu Beschränkung auf analoge Verbreitung nicht mit Popularklage angreifbar

Der BayVerfGH hat die Popularklage abgewiesen. Soweit sich die Antragsteller gegen die Absicht des BR wenden, das Programm BR-Klassik ab dem Jahr 2018 nicht mehr analog zu verbreiten, sei sie unzulässig. Der Austausch von BR-Klassik gegen das Programm PULS auf der UKW-Frequenz stelle keine zwangsläufige Folge der gesetzlichen Regelung des Art. 2 Abs. 4 BayRG dar, sondern beruhe auf einer autonom getroffenen Entscheidung des BR. Eine solche Maßnahme des Gesetzesvollzugs könne nicht Gegenstand einer Normenkontrolle im Popularklageverfahren sein.

Kein unauflösbarer Widerspruch zwischen Art. 2 Abs. 4 BayRG und Rundfunkstaatsvertrag

Die von den Antragstellern unmittelbar gegen die gesetzliche Regelung des Art. 2 Abs. 4 BayRG erhobenen Rügen erachtet der BayVerfGH für unbegründet. Ein unauflösbarer Widerspruch zwischen Art. 2 Abs. 4 BayRG und dem Rundfunkstaatsvertrag, der verfassungsrechtlich unter dem Aspekt der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit eines Regelungssystems (Art. 118 Abs. 1 BV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) von Bedeutung sein kann, sei nicht ersichtlich. Zwar regele der Staatsvertrag in § 11c Abs. 2 Satz 6 RStV und in § 19 Satz 3 RStV, dass der Austausch eines in digitaler Technik verbreiteten Programms gegen ein in analoger Technik verbreitetes Programm und die analoge Verbreitung bisher ausschließlich digital verbreiteter Programme unzulässig sind. Diese Regelungen seien jedoch sprachlich missglückt, da sie nach ihrem Wortlaut nicht nur die zu einer digitalen Verbreitung hinzukommende analoge Verbreitung und die nunmehr analoge Verbreitung eines bislang digital verbreiteten Programms untersagen, sondern auch einen Tausch zwischen einem digital und einem analog verbreiteten Programm verbieten. Dies widerspreche der Absicht des Normgebers, die in der Begründung des Rundfunkstaatsvertrags zum Ausdruck kommt; danach solle lediglich eine Obergrenze für die Anzahl der analog verbreiteten Hörfunkprogramme festgelegt werden. Es komme daher eine Auslegung in Betracht, nach der Art. 2 Abs. 4 BayRG mit dem Rundfunkstaatsvertrag vereinbar ist.

Weder Rundfunkfreiheit noch Rundfunkempfangsfreiheit verletzt

Gegen die Rundfunkfreiheit (Art. 111 a Abs. 1 BV) wurde laut BayVerfGH nicht verstoßen. Dass der Empfang von digital gesendeten Hörfunkprogrammen nur mittels eines Digitalradios und nicht mit herkömmlichen Radiogeräten möglich ist, beeinträchtige die Grundversorgung nicht. Wesensmerkmal der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgetragenen Grundversorgung sei eine Übertragungstechnik, bei der ein Empfang der Sendungen allgemein sichergestellt ist. Dies sei im Hinblick auf Digitalprogramme der Fall; eine im Vergleich zum analogen Sendebetrieb signifikant abweichende (geringere) Flächendeckung bestehe nicht. Auch bewegten sich die Kosten für die Anschaffung eines Digitalradios im unteren Bereich, sodass ein Empfang grundsätzlich möglich sei. Die Rundfunkempfangsfreiheit (Art. 112 Abs. 2 BV) sei daher ebenso wenig verletzt.

BayVerfGH, Entscheidung vom 17.07.2017 - 17.07.2017 Vf. 9-VII-15

Redaktion beck-aktuell, 21. Juli 2017.

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