Im Polizeigewahrsam in Anwesenheit von Männern zwangsweise ausgezogen
Eine Frau nahm mutmaßlich an einer sogenannten Coronaparty teil, bei der auch illegale Drogen konsumiert wurden. Die Polizei wurde informiert, kam und wollte den Wohnungsinhaber vernehmen. Dabei redete die Frau ständig dazwischen. Der Aufforderung, die Wohnung zu verlassen, kam sie nicht nach. Deshalb wurde ihr ein Platzverweis erteilt. Als das nicht fruchtete, wurde die Frau kurzerhand mittels unmittelbaren Zwangs in das Polizeiauto verfrachtet. Dagegen setzte sie sich physisch zur Wehr und beleidigte einen Polizisten ("Was bist du denn für ein Arschloch, Oida"). Bei der Polizei wurde die Frau in eine Zelle gebracht und von ihr verlangt, sich zu entkleiden. Die Frau kam dem nicht nach. Daraufhin entkleideten die Polizisten (zwei Polizistinnen in Anwesenheit von Männern, wobei ein Beamter nach Zeugenaussagen ihren BH öffnete) sie zwangsweise trotz ihrer heftigen Gegenwehr bis auf den Slip. Das Amtsgericht Landshut verurteilte sie auch im Hinblick auf das Geschehen in der Zelle wegen tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten. Das Landgericht Landshut verringerte zwar die Strafe auf eine Gesamtgeldstrafe, bestätigte aber überwiegend den Schuldspruch. Erst ihre Revision vor dem BayObLG war teilweise – bezogen auf die Auseinandersetzung im Gewahrsam – erfolgreich und führte zur Zurückverweisung.
Zwangsweise Entkleidung war unrechtmäßige Diensthandlung
Der Tatbestand des tätlichen Angriffs eines Vollstreckungsbeamten nach § 114 StGB setze eine rechtmäßige Vollstreckungshandlung voraus. Eine solche verneint das BayObLG nach den bisherigen Feststellungen: Der tätliche Widerstand in der Zelle habe sich eindeutig gegen die Entkleidung durch die Beamten gerichtet. Diese Maßnahme stelle einen gravierenden und hier nicht gerechtfertigten Grundrechtseingriff dar und sei rechtswidrig gewesen. Das BayObLG verwarf die Einwände, die Entkleidung sei durch "Vorschriften der HVOPol" vorgesehen und gängige Praxis, weil Frauen in der Regel BHs mit Metallbügel trügen und damit über ein gefährliches Werkzeug verfügten. Von Entkleidung stehe in der HVPol nichts. Es sei auch zweifelhaft, ob Frauen "meistens" BHs mit Metallbügeln trügen. Das Urteil sage im Übrigen über die Beschaffenheit des Kleidungsstücks nichts aus. Die Frau, so der 6. Strafsenat, hätte im Hinblick auf die Wahrung der Menschenwürde nur durchsucht werden müssen, um festzustellen, ob sie tatsächlich ein gefährliches Werkzeug bei sich trug. Außerdem habe man ihr dafür nicht die Hose ausziehen müssen. Auch die Hinzuziehung männlicher Beamter verstoße in "eklatanter" Weise gegen Nr. 16 Abs. 4 HVPol, wonach bei der Durchsuchung weiblicher Personen Männer nicht einmal anwesend sein dürften.