Untreue eines Verkehrspolizisten

Wer als Verkehrspolizist Verwarnungsgelder für sich behält, anstatt sie dem Dienstherrn abzuführen, macht sich der Untreue schuldig. Das BayObLG hat entschieden, dass die Pflicht des Beamten, die eingenommenen Gelder zu verwalten, im Kernbereich eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinn des Untreuetatbestands ist. Weil der Beamte die Weisung einmal monatlich abzurechnen missachtete und dies auch nicht kontrolliert wurde, habe er die Fremdgelder eigenverantwortlich und selbstständig verwaltet.

Verkehrspolizist behielt die Verwarngelder für sich

Ein Polizist in München war von 2015 bis 2018 zur Kontrolle, Verfolgung und Ahndung von Verkehrsverstößen eingesetzt. Zu diesem Zweck wurden ihm ein Quittungsblock für 25 Verstöße und ein Portemonnaie ausgehändigt. Die Dienstvorschriften sahen vor, dass er das Geld jeweils solange selbst verwaltete, bis er einen neuen Block benötigte oder er 250 Euro eingenommen hatte. Dann sollte er mit dem Kassenwart seiner Dienststelle abrechnen und ihm die Verwarngelder aushändigen – mindestens aber einmal monatlich. Die Einhaltung dieser Regelungen wurde allem Anschein nach nicht kontrolliert. Jedenfalls holte sich der Polizist im Lauf der knapp drei Jahre 26 Quittungsblöcke, stellte insgesamt 587 Quittungen aus und nahm rund 13.000 Euro Verwarnungsgelder ein, ohne ein einziges Mal abzurechnen. Das Amtsgericht München verurteilte ihn deshalb wegen Untreue in 26 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 22 Monaten, die es zur Bewährung aussetzte. Sowohl der Gesetzeshüter als auch die Staatsanwaltschaft gingen in die Berufung, wobei letztere ihr Rechtsmittel auf die Rechtsfolge beschränkte. Das Landgericht München I sprach ihn nur wegen veruntreuender Unterschlagung schuldig und verurteilte ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung. Dagegen erhob die Staatsanwaltschaft Revision zum Oberlandesgericht München – mit Erfolg.

Untreuetatbestand erfüllt

Nach Ansicht des BayObLG sind die Taten des Polizisten als Untreue nach § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB (Treuebruchtatbestand) zu bewerten. Die Annahme des Landgerichts, der Polizist hätte mit der Veruntreuung nur eine Nebenpflicht als Beamter verletzt, sei fehlerhaft. Der 6. Strafsenat betrachtet die Pflicht, die ihm dienstlich anvertrauten Gelder ordnungsgemäß zu verwalten und abzurechnen, als Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflicht als Verkehrspolizist. Da die Weisung, einmal monatlich abzurechnen, von ihm unbeachtet geblieben war, und die Einhaltung der entsprechenden Dienstvorschriften auch nicht kontrolliert wurde, verwaltete er dem BayObLG zufolge die Fremdgelder über Jahre selbstständig und in eigener Verantwortung. Damit fehle die tatbestandsausschließende strikte Weisung über die Verfahrensweise über das eingenommene Verwarnungsgeld.

26 oder 587 Taten?

Der 6. Strafsenat bedauerte, wegen fehlender Sachverhaltsfeststellungen nicht selbst entscheiden zu können, und verwies die Sache nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zurück. Das Landgericht möge sich fragen, ob nicht statt der Verurteilung in 26 Fällen (nicht abgerechnete Quittungsblöcke) 587 Taten (ausgestellte Verwarnungsgelder) zu verhandeln seien? Das hänge vom Tatentschluss des Polizisten ab, wann er jeweils den Vorsatz gefasst habe, das Geld für sich zu behalten. Das neue Tatgericht hat dem BayObLG zufolge dann auch zu berücksichtigen, dass die jeweils festgestellte Summe den Strafrahmen des besonders schweren Fall nach den §§ 266 Abs. 2263 Abs. 3 StGB im Falle geringwertiger Schäden nach den §§ 266 Abs. 2243 Abs. 2 StGB ausschließt.

Kein prozessuales Problem

Das BayObLG sieht in einer eventuellen Verurteilung wegen 587 Taten keinen Verstoß gegen den Anklagegrundsatz, weil der angeklagte Sachverhalt laut Anklageschrift beschreibe, dass sich die angeklagten 26 Fälle aus 587 einzelnen selbstständigen Einzelakten zusammensetzten. Der Verfahrensgegenstand nach § 200 Abs. 1 StPO erlaube deshalb auch eine Verurteilung wegen der inbegriffenen prozessualen Einzeltaten. Dem steht laut dem 6. Strafsenat auch nicht das Verschlechterungsverbot nach § 331 Abs. 1 StPO entgegen: Dieses verbiete nur eine Verschlechterung der Rechtsfolgen der Tat – nicht aber die Annahme von Tatmehrheit statt Tateinheit nach den §§ 5253 StGB.

Redaktion beck-aktuell, 18. Oktober 2022.