Nachbarstreit oder Wohnungseigentumssache?

Verlangt eine Wohnungseigentümergemeinschaft von einem Nachbarn für Arbeiten Zugang zu dessen Grundstück, liegt auch dann keine Wohnungseigentumssache vor, wenn der Betroffene selbst Mitglied der Gemeinschaft ist. Eine Duldungspflicht aus dem Gemeinschaftsverhältnis bezogen auf das Nachbargrundstück ist laut Bayerischem Obersten Landesgericht eher fernliegend.

Konflikt um marodes Parkhaus

In Augsburg stritten sich die Miteigentümer eines sanierungsbedürftigen Parkhauses schon seit Jahren um die Zukunft des Gebäudes. Die Position der Mehrheit war, dass der Bau nicht mehr zu retten sei, und abgerissen werden müsse. Ein Mitglied der Eigentümergemeinschaft wünschte hingegen eine Sanierung. Ihr stand das Sondereigentum an drei Ebenen zu, dem sogenannten Hotelparkhaus. Ihr gehörten auch südwestlich des Parkhauses gelegene Grundstücke, auf denen sich ein Heizungskeller befand. Von dort aus führte eine Gashochdruckleitung zum Hotel. Die Wohnungseigentümergemeinschaft beantragte beim AG Augsburg eine einstweilige Verfügung, um für Sicherungsmaßnahmen an der Gasleitung und dem Heizungskeller Zugang zu den Nachbargrundstücken zu erhalten. Das Parkhaus sei akut einsturzgefährdet und es drohe die Gefahr, dass Trümmer eine Gasexplosion auslösten. Das AG Augsburg lehnte den Antrag ab. Das für Wohnungseigentumssachen zuständige Berufungsgericht, das LG München I, hielt sich nicht für zuständig. Das als allgemeines Berufungsgericht ebenfalls angerufene LG Augsburg ging auch davon aus, unzuständig zu sein, und legte den Fall dem BayObLG zur Entscheidung vor. Dieses folgte der Ansicht des LG München I.

Keine WEG-Sache

Nach Ansicht des BayObLG handelte es sich hier nicht um eine Wohnungseigentumssache nach § 72 Abs. 2 GVG, § 43 Abs. 2 WEG. Somit müsse das LG Augsburg als allgemeines Berufungsgericht über den Fall entscheiden. Daran ändere sich nichts dadurch, dass das AG Augsburg als Wohnungseigentumsgericht entschieden und eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung erteilt habe. Ansonsten fehle es am inneren Zusammenhang des Antrags mit dem Gemeinschaftsverhältnis – die Betroffene werde gerade als Eigentümerin der Nachbargrundstücke in Anspruch genommen. Die Ansicht der Gemeinschaft, die Miteigentümerin treffe für die Arbeiten eine Treue- und Rücksichtnahmepflicht, bezeichneten die Münchener Richter als "eher fernliegend". Die Pflichten aus der Gemeinschaft verlangten keine Duldung von zeitlich unbegrenzten und erheblichen Eingriffen in ihre benachbarten Grundstücke.

BayObLG, Beschluss vom 14.06.2023 - 102 AR 21/23

Redaktion beck-aktuell, 20. Juni 2023.