Falscher Impfausweis? Gericht darf Polizei nicht ohne Prüfung glauben

Das reine Verlesen eines polizeilichen Ermittlungsberichts trägt eine Verurteilung nicht. Das Landgericht Aschaffenburg hatte in einem Verfahren um die Vorlage eines – angeblich – gefälschten Impfausweises in einer Apotheke ohne nähere Prüfung das Ergebnis des Berichts übernommen. Und kassierte dafür vom Bayerischen Obersten Landesgericht jetzt so viel Kritik, dass von seinen ursprünglichen Feststellungen fast nichts mehr übrigbleibt.

Eine Frau hatte Ende 2021 in einer Aschaffenburger Apotheke einen auf sie ausgestellten Impfausweis vorgelegt, der zwei Corona-Impfungen dokumentierte. Amts- und Landgericht waren überzeugt, dass sie eine Fälschung vorgelegt hatte, um sich ein digitales Impfzertifikat zu erschleichen.

Die Berufungskammer des LG Aschaffenburg verlas einen Ermittlungsbericht der Polizei, der einleuchtende Argumente enthielt: Die angeblich verwendeten Chargen hätten zum Zeitpunkt der Injektion schon ihr Verfallsdatum überschritten gehabt, die Betroffene sei keine Patientin des Arztes gewesen und dessen Praxis sei am Tag der angeblichen zweiten Impfung geschlossen gewesen. Weiter prüfte das Gericht den Fall nicht. Die Revision beim BayObLG führte zur fast vollständigen Aufhebung der Feststellungen und zur Zurückverweisung an eine andere Berufungskammer.

Polizei nicht für Beweiswürdigung zuständig

Die in Bamberg ansässigen Richter des 2. Strafsenats kritisieren deutlich, das das LG sein Urteil nicht einfach auf den verlesenen Ermittlungsbericht hätte stützen dürfen. So sei schon unklar, wie die Beamten zu ihren Schlussfolgerungen gekommen seien – ob zum Beispiel Zeugen vernommen worden seien. Außerdem sei davon auszugehen, dass die Beamten nicht ihre eigenen Wahrnehmungen aufgeschrieben haben. Damit wären sie nur Zeugen vom Hörensagen. Zwar könne man auch solche Angaben aus zweiter Hand verwerten, aber nur dann, wenn sie durch andere Tatsachen gestützt würden. Solche seien dem Urteil aber nicht zu entnehmen.

Das BayObLG hält der Vorinstanz auch vor, dass sie aufgrund der Fehler im Impfzertifikat sofort ausgeschlossen hatte, dass dieses von dem Arzt ausgestellt worden sei. Schließlich hätten Ärzte zum Beispiel auch falsche Atteste im Zusammenhang mit der Maskenpflicht ausgestellt, so dass es sehr wohl möglich sei, dass der Mediziner die Impfbescheinigung ausgestellt habe.

Von dem Sachverhalt, den das LG seinem Urteil zugrunde gelegt hatte, blieb nun einzig die Feststellung übrig, dass die Betroffene einen auf sie ausgestellten Impfausweis vorgelegt hatte. Den Rest müssen die Richter in Aschaffenburg neu verhandeln (Az.: 202 StRR 29/23).

Redaktion beck-aktuell, 25. Juli 2023.