Streit um Eizellenspende - Wann beginnt Leben?
Angeklagt waren der Vorstand des Vereins “Netzwerk Embryonenspende“ und zwei Mediziner. Ihnen wurden Verstöße gegen das Embryonenschutzgesetz sowie die missbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken beziehungsweise Beihilfe dazu vorgeworfen. Explizit verboten ist in Deutschland laut Embryonenschutzgesetz die Spende unbefruchteter Eizellen. Ebenso ist es nicht erlaubt, eine Eizelle mit dem Ziel zu befruchten, sie einer anderen Frau einzupflanzen als der, von der die Zelle stammt. Die Frage in diesem Prozess war auch eine ethisch-philosophische: Wann beginnt Leben? Denn der Transfer gespendeter, imprägnierter Eizellen im Embryonenstadium ist kein Straftatbestand, wie der Richter betonte. Dann hat das Leben bereits begonnen, diese Eizellen dürften nicht entsorgt werden.
BayObLG: Spende von Zellen im Vorkernstadium strafbar
Die Spende von Zellen im Vorkernstadium, um die es hier ging, ist anders zu beurteilen. Das BayObLG wertete sie als strafbar - weil es in diesem Stadium noch vertretbar sei, die imprägnierte Eizelle zu zerstören. Dann habe das Leben noch nicht begonnen. In zwei früheren Prozessen waren die drei Angeklagten freigesprochen worden. Diese Freisprüche wurden nun insofern aufgehoben, als sie sogenannte Vorkernstadien betrafen. Diese Fälle wurden an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen, wo sie von einer anderen Kammer neu aufgerollt werden müssen. Die Angeklagten reagierten nach dem Urteil betroffen. Ihnen bleibt die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde.
LG muss über möglichen Verbotsirrtum entscheiden
Aus Sicht der Leitenden Oberstaatsanwältin Regina Sieh hat der Senat eine dringende Rechtsfrage geklärt, nämlich: “Was ist überhaupt strafbar?“ - und festgestellt, dass “der Transfer von noch nicht abgeschlossen befruchteten Zellen in eine fremde Frau unter Strafe gestellt ist“. Demnach gibt es hier keine Gesetzeslücke, die Interpretationsspielraum lässt. Weil die Angeklagten davon ausgegangen waren, dass es diese Gesetzeslücke gibt, muss sich das Landgericht Augsburg nun erneut mit dem Fall und der Frage eines Verbotsirrtums befassen.
Verein vermittelte ungewollt kinderlosen Paaren Eizellenspenden
Einer der Verteidiger sagte nach dem Urteil, der Senat habe eine sehr restriktive Sichtweise vertreten. "Es wurde die Chance vertan, das Embryonenschutzgesetz modern auszulegen." Da während des Befruchtungsprozesses die Zellstadien auch nicht immer erkennbar seien, gehe das Urteil an der Praxis vorbei. "Imprägnierte Eizellen müssen auf gut Deutsch in die Tonne getreten werden." Der Verein hatte ungewollt kinderlosen Paaren Eizellenspenden vermittelt - ohne dafür Geld zu nehmen, wie Vereinsgründer Hans-Peter Eiden betonte. Dabei handelte es sich sowohl um Vorkernstadien als auch um Embryonen, die anderen Frauen im Rahmen von Kinderwunschbehandlungen entnommen worden und dabei gewissermaßen übriggeblieben waren.
Beteiligte waren sich keiner Strafbarkeit bewusst
Weil die gespendeten Eizellen, die der Verein vermittelte, ursprünglich befruchtet worden waren, um sie der Besitzerin einzupflanzen, hatten der Verein und seine Anwälte diesen Straftatbestand als nicht erfüllt gesehen. Vereinsgründer Eiden sagte, dass es vielen Paaren schwerfalle, nach einer Kinderwunschbehandlung die imprägnierten Eizellen, die sie selbst nicht mehr brauchen, zu vernichten. Diese müssten nun aber in die Mülltonne geworfen werden. Erst vor wenigen Tagen habe er von Eltern, denen der Verein eine Spende vermittelt hatte, ein Foto eines Mädchens geschickt bekommen, das seinen sechsten Geburtstag feierte - diese Kinder würde es nicht geben, sagte er.