Nicht die SZ vom Vortag: Gefangene haben Anspruch auf pünktliche Zustellung der Tageszeitung

Seit "zig" Jahren würden die Beamten ihm seine Zeitung erst am Folgetag aushändigen, empört sich ein Inhaftierter. Das BayObLG pflichtet ihm bei: Eine dünne Personaldecke könne diesen Verstoß gegen die Informationsfreiheit nicht rechtfertigen.

Ein in Bayern Inhaftierter kämpfte darum, seine Tageszeitung pünktlich am Erscheinungs- und nicht erst am Folgetag zu erhalten. Er hatte schon so manchen Rechtsstreit darum geführt und 2023 dann die Feststellung erstritten, dass die verspätete Weiterleitung an ihn rechtswidrig sei. Trotzdem aber erhielt er die dicke Wochenendausgabe der SZ vom 20. April 2024 erst am folgenden Montag. Die Anstaltsleitung behauptete, die Post sei schuld, weil sie die Zeitung bei Abholung noch nicht ins Postfach einsortiert habe. Der Gefangene argwöhnte, die JVA schiebe das Postfach nur vor, um eine Ausrede für die Bummelei zu haben. Vor dem LG Regensburg obsiegte zunächst der Häftling, die JVA legte aber Rechtsbeschwerde ein und war vor dem BayObLG zumindest vorläufig erfolgreich.

Die Münchener Richterinnen und Richter (Beschluss vom 11.11.2024 – 204 StObWs 362/24) gaben der Aufklärungsrüge der Anstalt, das LG habe noch ermitteln müssen, ob die Post die Zeitung am 20. April in das Fach der JVA einsortiert hatte oder nicht, statt. Das LG muss nunmehr erneut verhandeln und nachermitteln. Allerdings stellte das BayObLG auch klar: Lasse sich das nicht mehr aufklären, gehe der Mangel zulasten der Anstalt.

Auch samstags Zeitung pünktlich weiterzugeben

Liege das Verschulden nicht bei der Post, sei der Gefangene im Recht: Er hat dem BayObLG zufolge einen Anspruch aus Art. 33 Abs. 2 BayStVollzG in Verbindung mit Art. 70 Abs. 1 BayStVollzG auf Aushändigung der tagesaktuellen Ausgabe seiner Zeitung. Die JVA habe auch samstags sicherzustellen, dass die Zeitung von der Post abgeholt und am selben Tag an den Strafgefangenen weitergeleitet wird. Den Einwand, die Personaldecke sei zu dünn dafür, lassen die Münchener Richterinnen und Richtern nicht gelten: Eine mangelhafte Organisation der Anstalt könne diesen schwerwiegenden Verstoß gegen die Informationsfreiheit nicht rechtfertigen.

Richtig sei zwar, dass das Gebot in Art. 33 Abs. 2 BayStVollzG, die Gefangenenpost unverzüglich weiterzuleiten, anstaltsüblichen Verzögerungen unterworfen sei. Allerdings sind damit laut BayObLG keine Verzögerungen gemeint, die in der Anstalt üblich sind, sondern nur solche, die bei Bearbeitung der Post unvermeidlich sind.

Weil die Post die Belieferung in den Hausbriefkasten mit der in ein Postfach in punkto Schnelligkeit gleich behandelt, habe der Gefangene keinen Anspruch auf die Zustellung an die Gefängnispforte. Er könne aber verlangen, dass die Beamten auch zweimal zur Post fahren, wenn seine Zeitung erst nach der ersten Abholung ins Postfach gelangt.

BayObLG, Beschluss vom 11.11.2024 - 204 StObWs 362/24

Redaktion beck-aktuell, rw, 4. Dezember 2024.