Bayerische Regelung zu Telefonie in Haft möglicherweise verfassungswidrig

Die in Bayern für Inhaftierte geltenden Beschränkungen beim Zugang zu Telefongesprächen sind möglicherweise verfassungswidrig. In einer Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht kommt die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) zu dem Ergebnis, die bayerische Regelung belaste die betroffenen Gefangenen unnötig und verletze sie in ihrem Grundrecht auf Resozialisierung.

Angleichung "an Leben draußen" gefordert

"Wenn wir als Gesellschaft Resozialisierung ernst nehmen, müssen wir die Haftbedingungen in deutschen Gefängnissen an das Leben draußen angleichen – auch und gerade bei den verfügbaren Kommunikationsmitteln", sagt Jürgen Bering, Autor der Stellungnahme und Jurist bei der GFF. Das Gericht hatte die GFF als sachkundige Dritte um eine Stellungnahme zu zwei Verfassungsbeschwerden gebeten. Mit den Beschwerden wenden sich zwei Personen gegen das restriktive bayerische Strafvollzugsgesetz, das Telefonate nur in dringenden Fällen ermöglicht. Die Stellungnahme untersucht umfassend, wann Inhaftierte in deutschen Gefängnissen telefonieren dürfen und zeigt eindrücklich, wie bedeutend Telefongespräche sind: Gerade für Inhaftierte, deren Familien und Bezugspersonen weiter weg leben, seien Telefonate häufig die einzige Möglichkeit, in Kontakt zu bleiben.

Besuchsrecht allein reicht nicht

Telefonieren sei außerdem – zum Beispiel für Kinder – weniger belastend und aufwändig als Besuche. Telefonate seien daher neben dem Besuchsrecht wichtig, um Kontakte zur Außenwelt zu pflegen. Gerade diese Kontakte seien – wie Studien immer wieder bestätigen – ausschlaggebend für die Resozialisierung. "Für eine effektive Resozialisierung ist ein Anspruch auf Telefongespräche unerlässlich, den momentan nur Bremen gewährt. Zeitgemäß wäre es, Inhaftierten auch Zugang zum Internet, Videotelefonie und Messengerdiensten zu gewähren. Bayern hingegen stemmt sich sogar noch gegen Technologie aus dem 19. Jahrhundert", sagt Bering.

Bei Öffnung der Kommunikation keine Probleme zu erwarten

Zugleich bringe die Kommunikation Inhaftierter aus den Anstalten keine wesentlichen Probleme mit sich. Das zeige der in der Stellungnahme durchgeführte Vergleich mit anderen Bundesländern und Staaten, die den Telefon- und teilweise auch Internetzugang seit Jahren weitgehend ermöglichen. Diese Regelungen seien während der Corona-Pandemie – ohne negative Folgen – ausgeweitet worden, um die beschränkten Besuchsmöglichkeiten auszugleichen.

GFF: Telefonate sollten privat bleiben können

Neben der konkreten Situation in Bayern beleuchtet die Stellungnahme auch weitere Belastungen im Kontext der Gefangenentelefonie. So könne die Art und Weise, wie Telefonate gewährt werden, abschreckend wirken: Viele Justizvollzugsanstalten ermöglichten Telefonate nur in Gemeinschaftsbereichen, sodass auch andere Inhaftierte mithören können. Intime Gespräche oder die Absprache mit Anwälten und Anwältinnen würden dadurch erschwert. Die GFF hofft, dass das BVerfG die anhängigen Verfassungsbeschwerden nutzt, um auch diese Hürden grundrechtlich zu bewerten.

Redaktion beck-aktuell, 20. Januar 2022.