Ein 81-jähriger Fachanwalt für Steuerrecht hatte seiner Rechtsanwaltskammer ab 2020 keine Fortbildungsbescheinigungen nach § 15 FAO mehr vorgelegt. Der außerdem als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätige Anwalt begründete dies damit, dass coronabedingt zahlreiche Präsenzveranstaltungen abgesagt worden seien und es ihm nicht möglich gewesen sei, an einer Online-Veranstaltung teilzunehmen. Das aktuelle Fachwissen habe er durch die regelmäßige Lektüre der relevanten Fachzeitschriften erworben. Das reichte der Rechtsanwaltskammer München aber nicht. Obwohl sie ihm mehrere Monate lang mehrfach Gelegenheit gab, die fehlenden Nachweise für 2020, 2021 und 2022 nachzureichen, ließ er sämtliche Fristen verstreichen.
Die Kammer entzog ihm den Fachanwaltstitel. Es bestünden zwar Überschneidungen hinsichtlich der Fachkenntnisse, die auch für die Tätigkeiten als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater benötigt würden. Möglicherweise habe er in diesen Bereichen seine Fortbildungen absolviert. Aber auch dafür lägen keine Nachweise vor. Die Klage des Anwalts blieb ohne Erfolg.
Ermessen auf Null reduziert
Die Münchner Richterinnen und Richter bestätigten die Entscheidung (Urteil vom 16.11.2023 – BayAGH III-4-6/23). Der Steuerexperte habe über mehrere Jahre hinweg seine Pflichtfortbildungen nach § 15 FAO nicht absolviert – auch nachdem die Kammer bereits das Verfahren eingeleitet hatte. Regelmäßig sei das Ermessen der Rechtsanwaltskammer für den Widerruf nach § 43c Abs. 4 S. 2 BRAO auf Null reduziert, wenn die Weiterbildung nicht nachgewiesen werde, und keine ausnahmsweise relevante Entschuldigung vorliege. Die Rechtssuchenden dürften darauf vertrauen, dass er sich auf dem aktuellen Wissenstand gehalten habe. Es wäre dem Anwalt auch zumutbar gewesen, so der AGH, die technischen Voraussetzungen für die Teilnahme an Online-Fortbildungen zu schaffen.
Auf eine ältere BGH-Entscheidung könne sich der Steuerrechtler nicht berufen: Im damaligen Fall hatte ein Anwalt als ordentlicher Professor für Steuerrecht Lehrveranstaltungen abgehalten, die, so die Rüge des BGH, möglicherweise den in § 15 FAO als Leistungsnachweis vorgesehenen Lehrveranstaltungen gleichwertig gewesen sein könnten. Eine Tätigkeit in Forschung oder Lehre sei hier jedoch nicht ersichtlich.