Neun Handelsunternehmen hatten nach Angaben des Bundeskartellamts ein Kartell gebildet und zwischen 1998 und 2015 Listenpreise abgesprochen. Die Wettbewerbshüter verhängten im Jahr 2020 Bußgelder von insgesamt 157 Millionen Euro. Von diesen Geldern haben allerdings die Bauern, die die Pflanzenschutzmittel kauften, nichts, denn sie wandern ins Staatssäckel.
Der Sammelklage vor dem LG Dortmund angeschlossen haben sich Landwirte aus dem ganzen Bundesgebiet - manche haben große Betriebe, andere nur kleine. Die Schadenersatzforderungen pro Betrieb reichen von wenigen Tausend Euro bis zu mehr als einer Million Euro. Die Landwirte haben den Angaben zufolge eine Anbaufläche von zusammengerechnet circa 850.000 Hektar und damit mehr als 5% der Anbaufläche in ganz Deutschland. Die Bauern aus allen Regionen Deutschlands eint, dass sie regelmäßig Pflanzenschutzmittel für ihre Betriebe gekauft haben.
Die Landwirte, die einem hohen wirtschaftlichen Druck ausgesetzt gewesen seien, hätten dafür zu viel bezahlt, sagt Katharina Fröhlich aus dem Management von Unilegion. "Es wird Zeit, dass sie dieses Geld zurückerhalten." Ihr Unternehmen hat von den Landwirten insgesamt 600.000 Rechnungen zu Pflanzenschutzmitteln bekommen und ausgewertet. Daraufhin hat ein Beratungsunternehmen ein Gutachten zur Höhe des Schadensersatzes erstellt.
Beklagtes Unternehmen sieht keinen Schaden für Bauern
Zu den Unternehmen gehören die Großhändler Baywa aus München und Agravis aus Münster. Agravis teilte mit, dass es in dem Kartellverfahren nicht um verbindliche Preise gegangen sei. Die tatsächlichen Verkaufspreise würden zwischen Käufer und Verkäufer stets individuell verhandelt.
Den Klägerinnen und Klägern sei daher kein Schaden entstanden. Man begrüße aber die nun anstehende gerichtliche Klärung. Agravis wies ergänzend darauf hin, dass manche vergleichbare Verfahren mehr als zehn Jahre dauerten. "Nach der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Landgericht Dortmund sind zwei weitere Instanzen möglich." Baywa wollte die Vorwürfe auf Anfrage nicht kommentieren.
Tatsächlich treffen in solchen Verfahren üblicherweise Gutachten beider Seiten, die meist zu sehr unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen, aufeinander. Bisweilen kommt es vor Gericht zu regelrechten "Gutachten-Schlachten".
Es ist zwar erwiesen, dass es das Kartell gab. Welche Folgen das Kartell für die Preise genau hatte, wurde vom Bundeskartellamt aber nicht festgestellt - diese Frage muss Unilegion im Gerichtsverfahren überzeugend beantworten. Es gibt zwar statistische Analysen, denen zufolge die Preise durch Kartelle im Regelfall deutlich steigen. Unilegion muss einen Preisanstieg aber konkret und auf ihren Fall bezogen nachweisen, was nicht einfach werden wird.