Urlaubsabgeltung als Masseverbindlichkeit bei vorläufiger Insolvenzverwaltung
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Nimmt ein vorläufiger Insolvenzverwalter die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers zum Zeitpunkt des Endes des Arbeitsverhältnisses noch in Anspruch, wird der Anspruch auf Urlaubsabgeltung in voller Höhe als Masseverbindlichkeit eingestuft. Laut Bundesarbeitsgericht sind davon auch Ansprüche umfasst, denen keine Wertschöpfung für die Masse gegenübersteht. Die Insolvenzordnung sehe insoweit keine Einschränkung der Arbeitgeberpflichten vor.

Abfindung für 20 Tage Erholungsurlaub

Ein Arbeitnehmer machte gegen die Insolvenzverwalterin seines Arbeitgebers einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung von 3.400 Euro geltend. Nachdem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das betriebliche Vermögen beantragt worden war, wurde die Beklagte zur sogenannten starken vorläufigen Insolvenzverwalterin mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bestellt. Das Arbeitsverhältnis des Angestellten endete durch außerordentliche Kündigung Ende September 2017. Bis dahin hatte er seine Arbeitsleistung erbracht und noch Anspruch auf 20 Tage Erholungsurlaub. Im November 2017 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und die Beklagte zur Insolvenzverwalterin bestellt. Die Klage scheiterte sowohl beim Arbeitsgericht Potsdam als auch beim LAG Berlin-Brandenburg, da ein während der vorläufigen Insolvenzverwaltung entstehender Urlaubsabgeltungsanspruch vor der Insolvenzeröffnung nicht als Masseverbindlichkeit einzustufen sei (§ 55 Abs. 2 InsO). Die Revision beim BAG hatte hingegen Erfolg.

Keine Einschränkung der Arbeitgeberpflichten

Aus Sicht der obersten Arbeitsrichter hat der Kläger Anspruch auf die Urlaubsabgeltung, denn das Arbeitsverhältnis endete Ende September 2017. Der Anspruch sei eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 InsO. Entscheidet sich der starke vorläufige Insolvenzverwalter für die Inanspruchnahme der Arbeitskraft eines Arbeitnehmers, hat er laut BAG alle Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis als Masseverbindlichkeiten zu erfüllen ("Gesamtpaket"). Hiervon umfasst seien auch Ansprüche, denen keine Wertschöpfung für die Masse gegenübersteht (z.B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Erholungsurlaub). Die Insolvenzordnung sehe insoweit keine Einschränkung der Arbeitgeberpflichten zugunsten der Masse vor. Nachdem der Neunte Senat seine Rechtsprechung, wonach die Ansprüche in solche vor und nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gesplittet werden, aufgegeben habe, müssten fortan alle geldwerten Ansprüche vorrangig erfüllt werden. Unzutreffend ist es, so die BAG-Richter, einen bloßen Geldanspruch anzunehmen, der nicht länger "in dem Kontext der Arbeitsleistung stehe und damit auch nicht als ,Gegenleistung' nach § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO berücksichtigt werden könne". Maßgeblich sei nur die grundsätzliche Inanspruchnahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers für die Einordnung als Masseverbindlichkeit.

BAG, Urteil vom 25.11.2021 - 6 AZR 94/19

Redaktion beck-aktuell, 3. Februar 2022.