BAG setzt Rechtsstreit wegen anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens aus
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Ein Rechtsstreit kann in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO ausgesetzt werden, wenn entscheidungserheblich ist, wie Unionsrecht auszulegen ist, und zu dieser Frage bereits ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängig ist. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit einem heute bekannt gewordenen Beschluss im Streit um die Höhe tariflicher Zuschläge für in der Nacht erbrachte Arbeitsstunden klargestellt.

Verschiedene Zuschläge für Nachtarbeit

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Süßwarenindustrie. Der Kläger versieht bei ihr Nachtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit. Die Parteien sind an den Bundesmanteltarifvertrag für die Angestellten, gewerblichen Arbeitnehmer und Auszubildenden der Süßwarenindustrie vom 14.05.2007 (BMTV) gebunden. Dieser bestimmt, dass für Nachtarbeit in Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit, die in die Nachtzeit von 22.00 bis 6.00 Uhr fällt, ein Zuschlag von 15% je Stunde zu zahlen ist. Für Nachtarbeit in Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit, die regelmäßig länger als 14 Tage überwiegend in die Nachtzeit von 22.00 bis 6.00 Uhr fällt, ist ein Zuschlag von 20% je Stunde geschuldet. Sonstige Nachtarbeit ist mit zusätzlich 60% je Stunde zu vergüten.

Arbeitnehmer verlangt höhere Zuschläge

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten für die von ihm in der Nachtzeit erbrachten Arbeitsstunden eine höhere als die bereits geleistete Vergütung. Er ist der Auffassung, die Regelungen im BMTV zu den Zuschlägen für Nachtarbeit in Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit verstießen gegen Art. 3 Abs. 1 GG und den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Arbeit zur Nachtzeit werde in unterschiedlicher Höhe vergütet. Andere Umstände als der Gesundheitsschutz könnten höhere Zuschläge nicht rechtfertigen. Er habe deshalb Anspruch auf die Zuschläge von 60% je Stunde für sonstige Nachtarbeit.

Arbeitgeberin hält tarifvertragliche Bestimmungen für wirksam

Die Beklagte ist dagegen der Ansicht, die tarifvertraglichen Bestimmungen seien wirksam. Die allenfalls mittelbar an die Grundrechte gebundenen Tarifvertragsparteien hätten den ihnen nach Art. 9 Abs. 3 GG zukommenden weiten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum eingehalten. Der Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit solle nicht nur die Erschwernis für die Arbeit in der Nacht ausgleichen, sondern diene auch dem Schutz der Freizeit der Arbeitnehmer. Eine Anpassung nach oben erweitere den Kostenrahmen der Beklagten in unzumutbarem Umfang. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Bereits ergangenes Vorabentscheidungsersuchen betrifft auch hier relevante Fragen 

Das BAG hat den Rechtsstreit in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO ausgesetzt, bis der EuGH über die Vorabentscheidungsersuchen zu den Aktenzeichen C-257/21 und C-258/21 entschieden hat. Diese beiden Vorabentscheidungsersuchen seien in zwei von fast 400 vor dem 10. Senat des BAG anhängigen Revisionsverfahren ergangen, in denen es um die Höhe tariflicher Zuschläge für Arbeitsstunden geht, die in Nachtschichten geleistet werden. Entscheidungserheblich seien Fragen der Auslegung von Unionsrecht. Das BAG habe den EuGH um Vorabentscheidung über diese Fragen ersucht. Sie stellen sich nach Mitteilung des BAG in gleicher Weise in dem jetzt geführten Rechtsstreit.

BAG, Beschluss vom 28.07.2021 - 10 AZR 397/20 (A)

Redaktion beck-aktuell, 4. August 2021.