BAG: Se­ri­en-Schau­spie­ler müs­sen be­fris­te­te Ar­beits­ver­trä­ge auch nach vie­len Jah­ren ak­zep­tie­ren

Die Ei­gen­art der Ar­beits­leis­tung im Sinn von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG kann die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­trags einer Film­pro­duk­ti­ons­ge­sell­schaft mit einem Schau­spie­ler sach­lich recht­fer­ti­gen, der auf­grund einer Viel­zahl von be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trä­gen lang­jäh­rig in der­sel­ben Rolle einer Kri­mi­se­rie be­schäf­tigt wurde. Mit die­ser Be­grün­dung wies das Bun­des­ar­beits­ge­richt am 30.08.2017 in Er­furt die Re­vi­si­on von Pierre Sa­nous­si-Bliss (55) und Mar­kus Bött­cher (53) zu­rück, die zuvor lange Jahre in der ZDF-Serie "Der Alte" ge­spielt hat­ten (Az.: 7 AZR 864/15).

Se­ri­en­schau­spie­ler mo­nie­ren Ket­ten­be­fris­tung

Sa­nous­si-Bliss ist Schau­spie­ler und stell­te in der vom ZDF aus­ge­strahl­ten und von der Be­klag­ten im Auf­trag des Fern­seh­sen­ders pro­du­zier­ten Kri­mi­se­rie "Der Alte" 18 Jahre lang den Kom­mis­sar "Axel Rich­ter" dar. In einem zwei­ten, am glei­chen Tag ent­schie­de­nen Ver­fah­ren (Az.: 7 AZR 440/16) klag­te Bött­cher, der 28 Jahre lang die Rolle des Kom­mis­sars "Wer­ner Ried­mann" in der glei­chen Serie ge­spielt hatte. Die Par­tei­en schlos­sen je­weils so­ge­nann­te "Mit­ar­bei­ter­ver­trä­ge" bzw. "Schau­spie­ler­ver­trä­ge" ab, die sich auf ein­zel­ne Fol­gen oder auf die in einem Ka­len­der­jahr pro­du­zier­ten Fol­gen be­zo­gen. Zu­letzt wurde Sa­nous­si-Bliss durch Ver­trag vom 13./16.10.2014 in der Zeit bis zum 18.11.2014 für ins­ge­samt 16 Dreh­ta­ge zur Pro­duk­ti­on der Fol­gen Nr. 391 und 392 ver­pflich­tet. Der Klä­ger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Be­fris­tung in dem zu­letzt ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­trag sei man­gels Sach­grunds un­wirk­sam. Au­ßer­dem liege eine un­zu­läs­si­ge Ket­ten­be­fris­tung vor.

BAG: Ei­gen­art der Ar­beits­leis­tung recht­fer­tigt Be­fris­tung

Die Vor­in­stan­zen haben die Be­fris­tungs­kon­troll­kla­gen ab­ge­wie­sen. Die Re­vi­si­on des Klä­gers hatte vor dem Sieb­ten Senat des Bun­des­ar­beits­ge­richts kei­nen Er­folg. Die Be­fris­tung des mit dem Klä­ger zu­letzt ge­schlos­se­nen Ver­trags sei nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG durch die Ei­gen­art der Ar­beits­leis­tung sach­lich ge­recht­fer­tigt.

Ab­wä­gung zwi­schen Kunst­frei­heit und Schutz des künst­le­risch ar­bei­ten­den Ar­beit­neh­mers er­for­der­lich

Durch den in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG ge­re­gel­ten Sach­grund solle die Be­fris­tung von Ar­beits­ver­hält­nis­sen unter an­de­rem in dem durch die Kunst­frei­heit (Art. 5 Abs. 3 GG) ge­präg­ten Ge­stal­tungs­in­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers er­mög­licht wer­den. Bei der ge­bo­te­nen ver­fas­sungs­kon­for­men Aus­le­gung und An­wen­dung des Sach­grunds in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG dürfe aber nicht al­lein die Kunst­frei­heit Be­ach­tung fin­den. Viel­mehr sei auch dem nach Art. 12 Abs. 1 GG zu ge­währ­leis­ten­den Min­dest­be­stands­schutz des künst­le­risch tä­ti­gen Ar­beit­neh­mers Rech­nung zu tra­gen. Dies ge­bie­te eine Ab­wä­gung der bei­der­sei­ti­gen Be­lan­ge, bei der auch das Be­stands­schutz­in­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers an­ge­mes­sen Be­rück­sich­ti­gung fin­den müsse. Die In­ter­es­sen­ab­wä­gung sei Be­stand­teil der Sach­grund­prü­fung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG.

Ent­schei­dung über Fort­füh­rung der Rol­len Teil des künst­le­ri­schen Kon­zepts

Die Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge hatte da­nach kei­nen Er­folg. Die Ent­schei­dung der Be­klag­ten, die Rolle des Klä­gers nur be­fris­tet zu be­set­zen, be­ruht auf künst­le­ri­schen Er­wä­gun­gen, die von der Be­klag­ten um­ge­setzt wur­den. Die lang­jäh­ri­ge Be­schäf­ti­gung des Klä­gers in der Rolle des Kom­mis­sars "Axel Rich­ter" in der Kri­mi­se­rie "Der Alte" über­wie­ge nicht das In­ter­es­se an einer kurz­fris­tig mög­li­chen Fort­ent­wick­lung des For­mats durch die Strei­chung der vom Klä­ger be­klei­de­ten, im Kern­be­reich des künst­le­ri­schen Kon­zepts lie­gen­den und die Serie mit­prä­gen­den Rolle. Die bei­den Schau­spie­ler, die bei der Ver­hand­lung in Er­furt an­we­send waren, re­agier­ten ent­täuscht, woll­ten sich aber zu der Ent­schei­dung nicht wei­ter äu­ßern.

Redaktion beck-aktuell, 31. August 2017.

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