"Schwie­ri­ge Tä­tig­kei­ten" in Ser­vice­ein­hei­ten bei Ge­richt
justizfachangestellter_CR Arne Dedert dpa
© Arne Dedert / dpa
justizfachangestellter_CR Arne Dedert dpa

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat die Chan­cen von Be­schäf­tig­ten im öf­fent­li­chen Dienst auf ein hö­he­res Ge­halt er­höht. Im Fall zwei­er Jus­tiz­fach­an­ge­stell­ten aus Ser­vice­ein­hei­ten und Ge­schäfts­stel­len in Ber­lin be­fan­den die Er­fur­ter Rich­ter: Eine Ein­grup­pie­rung in die Ge­halts­stu­fe für "schwie­ri­ge Tä­tig­kei­ten" rich­tet sich al­lein nach dem Ar­beits­er­geb­nis und nicht nach den Wer­tun­gen des Ta­rif­ver­trags der Län­der (TV-L Ent­gel­tO).

Ver­kehrs­straf­sa­chen, Bu­ß­gel­der, Er­zwin­gungs­haft

Vor die Ar­beits­ge­rich­te ge­zo­gen waren zwei Jus­tiz­fach­an­ge­stell­te aus der Bun­des­haupt­stadt. Beide waren in einer Ser­vice­ein­heit an einem Amts­ge­richt tätig, und zwar im Sach­ge­biet Ver­kehrs­straf­sa­chen, Bu­ß­geld­ver­fah­ren und Er­zwin­gungs­haft­sa­chen. Unter Hin­weis auf eine Liste mit elf Ein­zel­tä­tig­kei­ten fand die Klä­ge­rin in einer der bei­den Rechts­strei­tig­kei­ten, ihr Tun bilde einen ein­zi­gen gro­ßen Ar­beits­vor­gang. In­ner­halb des­sen habe sie schwie­ri­ge Ver­rich­tun­gen in einem Um­fang von etwas mehr als einem Vier­tel der Ge­samt­ar­beits­zeit zu er­brin­gen - und darum An­spruch auf mehr Geld. Ähn­lich ihre Mit­strei­te­rin in einem Par­al­lel­ver­fah­ren, die unter dem Az. 4 AZR 195/20 am Mitt­woch­nach­mit­tag eben­falls in letz­ter In­stanz ge­wann.

Ber­lin: "BAG zer­stört Ta­rif­ge­fü­ge"

Be­mer­kens­wert ist das Ar­gu­ment, mit dem sich das rot-rot-grün re­gier­te Land gegen die Kla­gen ver­tei­digt: Die im Jahr 2013 ein­ge­lei­te­te Recht­spre­chung der obers­ten Ar­beits­rich­ter zur Ein­grup­pie­rung von Ge­schäfts­stel­len­ver­wal­tern grei­fe in die Ta­rif­au­to­no­mie ein. Ab­sicht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sei es ge­we­sen, in Ge­schäfts­stel­len und Ser­vice­ein­hei­ten Auf­stiegs- und Dif­fe­ren­zie­rungs­mög­lich­kei­ten zu schaf­fen. Die­ses Ta­rif­ge­fü­ge werde durch das BAG zer­stört.

Nur das Er­geb­nis zählt

Davon lie­ßen sich die Bun­des­rich­ter aber nicht be­ir­ren. "Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des be­klag­ten Lan­des steht die­ser Aus­le­gung nicht ein an­de­rer Wille der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ent­ge­gen", stel­len sie la­ko­nisch am Schluss ihrer Pres­se­er­klä­rung fest. Ein sol­cher hat in den ta­rif­li­chen Ein­grup­pie­rungs­be­stim­mun­gen nicht den er­for­der­li­chen Nie­der­schlag ge­fun­den." Ent­schei­dend ist aus ihrer Sicht viel­mehr: "Die Tä­tig­keit einer Be­schäf­tig­ten in einer Ser­vice­ein­heit bei einem Amts­ge­richt er­füllt das Tä­tig­keits­merk­mal der Ent­gelt­grup­pe 9a Fall­grup­pe 2 Teil II Ab­schnitt 12.1 der Ent­gelt­ord­nung zum TV-L (TV-L Ent­gel­tO), wenn in­ner­halb von Ar­beits­vor­gän­gen, die min­des­tens die Hälf­te der Ge­samt­ar­beits­zeit aus­ma­chen, schwie­ri­ge Tä­tig­kei­ten in recht­lich er­heb­li­chem Aus­maß er­bracht wer­den müs­sen." Dabei könne auch die ge­sam­te Tä­tig­keit der Be­schäf­tig­ten aus einem ein­heit­li­chen Ar­beits­vor­gang be­stehen - ma­ß­geb­lich für die Be­stim­mung des Ar­beits­vor­gangs sei al­lein das Ar­beits­er­geb­nis, nicht die ta­rif­li­che Wer­tig­keit der Ein­zel­tä­tig­kei­ten.

Ein Si­gnal für Ge­rich­te und Staats­an­walt­schaf­ten

Bei der Be­wer­tung der Ar­beits­vor­gän­ge ge­nügt es dem­nach für die Er­fül­lung der ta­rif­li­chen An­for­de­rung an "schwie­ri­ge Tä­tig­kei­ten", wenn sol­che in­ner­halb des je­wei­li­gen Ar­beits­vor­gangs "in recht­lich er­heb­li­chem Um­fang" an­fal­len. Nicht er­for­der­lich sei hin­ge­gen, dass in­ner­halb eines Ar­beits­vor­gangs schwie­ri­ge Tä­tig­kei­ten ih­rer­seits in dem vom Ta­rif­ver­trag be­stimm­ten Maß - hier also min­des­tens zur Hälf­te, zu einem Drit­tel oder zu einem Fünf­tel - zu be­wäl­ti­gen sind. Das klare Si­gnal an die Jus­tiz­be­diens­te­ten lau­tet: "Diese nach den ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen ma­ß­geb­li­che Grund­re­gel gilt un­ein­ge­schränkt auch bei einer Ein­grup­pie­rung nach den be­son­de­ren Tä­tig­keits­merk­ma­len für Be­schäf­tig­te bei Ge­rich­ten und Staats­an­walt­schaf­ten."

BAG, Urteil vom 09.09.2020 - 4 AZR 195/20

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 10. September 2020.

Mehr zum Thema