Muss gekündigter Manager zum Arbeitsamt?
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Gut für einen Arbeitnehmer, wenn die Arbeitsgerichte seiner Kündigungsschutzklage stattgegeben haben: Er behält den Job, und der Arbeitgeber muss ihm Gehalt nachzahlen. Allerdings: Der zu Unrecht Geschasste muss sich anrechnen lassen, was er in der Zwischenzeit an Unterstützung aus Sozialkassen erhalten oder anderweitig verdient hat – oder zumindest hätte verdienen können. Ein solcher Mitarbeiter in Leitungsfunktion konnte heute das Bundesarbeitsgericht nicht davon überzeugen, dass Führungskräfte wie er sich generell nicht beim Arbeitsamt melden müssen.

Zu Unrecht entlassen

Geklagt hat in Erfurt ein Leitender Angestellter: Der Experte im öffentlichen Auftragswesen für Rüstungsgüter war gegen seinen Willen versetzt worden, hatte dort die Arbeit verweigert und war daraufhin entlassen worden. Den Prozess dagegen gewann er schon in erster Instanz endgültig. Nun fordert er knapp 175.000 Euro Nachzahlung. Doch der Arbeitgeber sträubt sich, weil der Mann sich nicht bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldet hatte. Das Arbeitsgericht Celle sah die Beklagte hingegen im Annahmeverzug. Denn der Mitarbeiter sei nicht verpflichtet gewesen, die Behörde einzuschalten. Jedenfalls könne keine Böswilligkeit angenommen werden, weil Positionen wie die seinige typischerweise nicht über die Arbeitsagenturen, sondern über Headhunter besetzt würden. Und nur, weil er "in einer steuerrechtlich als Liebhaberei zu qualifizierenden Weise mit Gebrauchtwagen handelt", könne ihm nicht angesonnen werden, "dauerhaft und haupterwerblich zum Gebrauchtwagenverkäufer zu mutieren".

"Nicht nur über Headhunter"

Ganz anders das Landesarbeitsgericht Niedersachsen: Weil die Führungskraft es vorsätzlich versäumt habe, sich arbeitslos zu melden, und damit ihre sozialrechtliche Obliegenheit (§ 38 Absatz 1 SGB III) verletzt habe, verliere sie vollständig den Anspruch auf Annahmeverzugsentgelt. Schließlich könne einem Arbeitnehmer arbeitsrechtlich zugemutet werden, was ihm das Sozialgesetzbuch ohnehin abverlange. Dass es vorher zu einer unwirksamen Versetzung und dann Entlassung kam, ändert daran aus Sicht der Richter in Hannover nichts – dies setze § 11 KSchG ja gerade voraus. Diese Vorschrift fordert nämlich einen Abzug beim Betroffenen auch für das, "was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen". Und dass herausgehobene Managementpositionen ausschließlich über externe Dienstleister vermittelt würden, sei eine "Behauptung ins Blaue" hinein. Ebensowenig teilten die Richter das Argument des Klägers, ihm hätte ein Imageschaden gedroht, wenn er bei der Behörde vorstellig geworden wäre: Das hätte er schließlich nicht im Lebenslauf erwähnen müssen. Erklärungsbedürftig wären allenfalls längere Lücken darin – und die könnten eher durch die Arbeitslosmeldung und die dadurch ausgelöste Vermittlungstätigkeit vermieden werden als durch deren Unterlassen.

Kein ausreichendes Argument

Das BAG hat dieses Urteil nun aufgehoben und zur neuen Verhandlung zurückverwiesen. Wie die NJW von Verfahrensbeteiligten gehört hat, reichte dem Senat die Würdigung der Gesamtumstände durch das LAG offenbar noch nicht. Die bloße Weigerung, sich bei der Behörde zu melden, hat den Erfurter Richtern jedenfalls nicht gelangt, um – wie es die Kollegen in Hannover getan hatten – dem Mann die volle Nachzahlung zu verweigern. Auf die Bedeutung des Falls hatte bereits Rechtsanwalt Jan Kern in einer Besprechung der Entscheidung der Vorinstanz aufmerksam gemacht: Soweit ersichtlich habe damit erstmals ein Obergericht die Rechtsprechung des 5. BAG-Senats (ArbRAktuell 2020, 447) zum Verhältnis von Meldeobliegenheit nach § 38 SGB III und böswilligem Unterlassen anderweitigen Verdienstes konsequent fortgeführt, schrieb er (ArbRAktuell 2022, 128). Praktisch entstünden hiernach nur noch Ansprüche wegen Annahmeverzugs, wenn sich der gekündigte Beschäftigte als arbeitsuchend registrieren lasse. Doch werde es einem Ex-Mitarbeiter regelmäßig nicht gelingen zu beweisen, dass die Agentur für Arbeit ihm – hätte er sie kontaktiert – keine oder nur geringer dotierte Stellen nachgewiesen hätte. Kerns Rat: Arbeitgeber sollten im Annahmeverzugsprozess Auskunft über die Meldung als arbeitsuchend verlangen. Arbeitnehmern wiederum sei dringend zu empfehlen, der sozialrechtlichen Obliegenheit zu selbiger nachzukommen, da ansonsten regelmäßig kein Anspruch auf Annahmeverzugslohn mehr bestehe.

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Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 12. Oktober 2022.