Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats bei Softwareeinführung

Die unternehmenseinheitliche Nutzung der Software Microsoft Office 365, die eine zentrale Kontrolle von Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer zumindest ermöglicht, muss aus technischen Gründen zwingend betriebsübergreifend geregelt sein. Dafür ist laut Bundesarbeitsgericht der Gesamtbetriebsrat zuständig. Der Einsatz der Software werde auch für den gesamten Konzern zentral verwaltet.

Unternehmen will Microsoft Office 365 in allen Betrieben nutzen

Der Betriebsrat eines Warenverteilzentrums verlangte festzustellen, dass er ein Mitbestimmungsrecht für die Einführung von Microsoft Office 365 habe. Seine Arbeitgeberin unterhielt mehrere Betriebe, darunter auch das "Kombi-VZ" der Arbeitnehmervertreter mit etwa 2.000 Arbeitnehmern. Für die übrigen Betriebe gab es jeweils eigene Betriebsräte, sowie übergreifend einen Gesamtbetriebsrat. Die Gruppe beabsichtigte, das Softwarepaket in allen Betrieben zu nutzen. Dies sollte in Form einer "1-Tenant-Lösung" erfolgen, wobei das gesamte Unternehmen für die Datenverarbeitung als ein Mandant mit zentraler Administration geführt werden sollte. Die dabei erstellten und erhobenen Daten sollten in einer einheitlichen Cloud gespeichert werden. Im April 2019 stimmte der Gesamtbetriebsrat dem unternehmensweiten Einsatz zu. Bis Ende Juni 2020 waren im Logistikzentrum auch zwei IT-Teams der Gruppe mit insgesamt zwanzig Arbeitnehmern tätig. Im Juni 2020 beendete die Arbeitgeberin die gemeinsame Betriebsführung. Der Betriebsrat vertrat die Ansicht, er habe bei der Einführung und Anwendung des Softwarepakets zumindest teilweise mitzubestimmen. Für eine einheitliche Regelung bestehe keine zwingende technische Notwendigkeit. Einzelne Module könne man unabhängig von der Cloud nutzen. Er scheiterte sowohl beim Arbeitsgericht Bonn als auch beim LAG Köln, da wegen der zentralen Datenspeicherung und Zugriffsmöglichkeit auf die Daten durch die Administratoren vom Hauptsitz aus der Gesamtbetriebsrat zwingend zuständig sei nach § 87 Abs. 1 Nr. 6  BetrVG in Verbindung mit § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Der Betriebsrat rief das BAG an - ohne Erfolg.

 "1-Tenant-Lösung" erfordert betriebsübergreifende Regelung

Die Erfurter Bundesrichter schlossen sich der Auffassung des LAG an. Die Administration der Software, die die Arbeitgeberin einführen wolle, könne nur einheitlich für das gesamte Unternehmen - den sogenannten Tenant - erfolgen. Entsprechend würden auch die Administrationsrechte zentral vergeben. Dadurch bestehe die Möglichkeit einer Kontrolle des Nutzungsverhaltens von Arbeitnehmern in sämtlichen Betrieben. Diese zentrale Überwachungsmöglichkeit verlangt den BAG-Richtern zufolge aus technischen Gründen zwingend eine betriebsübergreifende Regelung. Der Umstand, dass bei einzelnen Modulen benutzerbezogene Einstellungen vorgenommen werden könnten, führe zu keiner anderen Bewertung. Die zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeigneten Komponenten oder Funktionen seien technisch nicht auf bestimmte Personen oder Personengruppen einschränkbar. Sie lägen nur beim zentralen Administrator.

BAG, Beschluss vom 08.03.2022 - 1 ABR 20/21

Redaktion beck-aktuell, 22. Juli 2022.