Mitbestimmung des Betriebsrats bei Weiterbeschäftigung nach Erreichen des Rentenalters
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Beim Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts eines Arbeitsverhältnisses, das wegen Erreichens einer tarifvertraglichen Regelaltersgrenze enden würde, steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zu. Laut Bundesarbeitsgericht entspricht die Vereinbarung einer Entscheidung des Arbeitsgebers über die Neubesetzung der Stelle. Die Regel des § 41 Satz 3 SGB VI, wonach der Renteneintritt einvernehmlich herausgeschoben werden kann, führe nicht zu einer anderen Sichtweise.

Interessenvertretung der Belegschaft blieb außen vor

Ein Betriebsrat lag im Streit mit zwei Arbeitgeberinnen einer Münchner Verkehrsgesellschaft, ob die Verlängerung eines Arbeitsverhältnisses über die tarifliche Altersgrenze hinaus der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Der Betrieb hatte circa 4.400 Beschäftigte. Am 08.04.2019 wurde dem Betriebsrat mitgeteilt, dass ein Arbeitsverhältnis, das nach § 19 Abs. 1 Buchst. a des Tarifvertrags Nahverkehrsbetriebe (TV-N) wegen Erreichens der gesetzlichen Regelaltersrente mit Ablauf des 31.05.2019 geendet hätte, auf Wunsch des Angestellten nach § 41 Satz 3 SGB VI um ein weiteres Jahr fortgesetzt werde. Die Arbeitgeberinnen teilten mit, dass eine vereinbarte Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers über eine tarifliche Altersgrenze hinaus nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedürfe. Das Recht sei bereits durch die Zustimmung zur ursprünglichen Einstellung verbraucht. Die Anträge scheiterten beim Arbeitsgericht München. Das dortige LAG wies sowohl die Beschwerde des Betriebsrats - mittlerweile war der Betroffene in Rente gegangen - als auch die Anschlussbeschwerde zurück. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen hatte beim BAG keinen Erfolg.

"Neubesetzung" nach Fristablauf

Dem BAG zufolge ist Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers über eine auf das Arbeitsverhältnis anwendbare tarifliche Altersgrenze hinaus eine nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung. Eine solche komme nicht nur bei der erstmaligen Aufnahme eines Mitarbeiters in den Betrieb in Betracht. Die Interessen der bereits dort beschäftigten Arbeitnehmer seien auch berührt, wenn ein Beschäftigter über den zunächst vorgesehenen Zeitpunkt hinaus in Lohn und Brot bleibe. Mit der Weiterbeschäftigung, so die Erfurter Richter, nimmt der Arbeitgeber - nicht anders als bei einer Neueinstellung - eine Besetzung des aufgrund der Befristung des Arbeitsverhältnisses freiwerdenden Arbeitsplatzes vor. Dies könne Zustimmungsverweigerungsgründe auslösen, die bei der "Ersteinstellung" nicht voraussehbar waren. Bei jeder befristeten Einstellung reiche die Beteiligung des Betriebsrats daher grundsätzlich nur bis zu der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das BAG weist darauf hin, dass der Umstand, dass § 41 Satz 3 SGB VI mit Unionsrecht vereinbar ist (NZA 2018, 355), nicht die Annahme rechtfertigt, im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer könnten infolge der Weiterbeschäftigung keine Nachteile erleiden.

BAG, Beschluss vom 22.09.2021 - 7 ABR 22/20

Redaktion beck-aktuell, 27. Januar 2022.