Mehrmaliges betriebliches Eingliederungsmanagement bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit
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Ein Arbeitgeber muss grundsätzlich erneut ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchführen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach dessen Abschluss abermals länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war. Anderenfalls spricht es laut Bundesarbeitsgericht dafür, dass mildere Mittel zur Vermeidung einer Kündigung hätten vorliegen können. Die Darlegungs- und Beweislast treffe den Arbeitgeber.

Hoher Krankenstand

Ein schwerbehinderter Produktionshelfer wehrte sich gegen die krankheitsbedingte Kündigung durch seine Arbeitgeberin. Der Angestellte wies einen hohen Krankenstand auf - in 2017 war er an 40 Tagen arbeitsunfähig erkrankt, 2018 an 61 Tagen und 2019 an 103. Im März 2019 fand mit dem Arbeiter ein Gespräch zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) statt. In dem auch vom Kläger unterzeichneten Erhebungsbogen war unter anderem angegeben, dass kein "zusätzlicher Sachverständiger (zum Beispiel Betriebsarzt, Fachkraft für Arbeitsschutz/Arbeitssicherheit)" eingebunden werden solle. Der heute 49-Jährige war nach dem Gespräch bis zur Kündigung im Februar 2020 erneut an 79 Arbeitstagen arbeitsunfähig krank. Eine Eingliederung unterblieb. Die Klage hatte sowohl beim Arbeitsgericht Düsseldorf als auch beim dortigen LAG Erfolg, da die Beklagte das vor Ausspruch der Kündigung erforderliche erneute bEM nicht durchgeführt habe, wozu sie nach § 167 Abs. 2 SGB IX verpflichtet gewesen sei. Die Revision der Arbeitgeberin beim BGH blieb erfolglos.

Darlegung des Arbeitgebers ist entscheidend

Den Erfurter Richtern zufolge ging das LAG zutreffend davon aus, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt war (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Die Arbeitgeberin habe nicht dargelegt, dass auch mit Hilfe eines (weiteren) bEM keine milderen Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätten erkannt oder entwickelt werden können. Das BAG betont, dass sie nach § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet gewesen sei, die Initiative für ein (erneutes) bEM zu ergreifen, selbst wenn sie bereits im März 2019 ein solches mit dem Angestellten durchgeführt habe. Ein erneutes beM sei auch dann durchzuführen, wenn nach dem zuvor durchgeführten noch nicht wieder ein Jahr vergangen sei. Ziel des bEM sei es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen sei, und herauszufinden, ob Möglichkeiten bestehen, eine bestehende Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern. Das BAG weist darauf hin, dass ein bEM jedenfalls dann abgeschlossen sei, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig seien, dass der Suchprozess durchgeführt sei oder nicht weiter durchgeführt werden solle.

BAG, Urteil vom 18.11.2021 - 2 AZR 138/21

Redaktion beck-aktuell, 1. Februar 2022.