Nach Stechuhr-Urteil: BAG kündigt für 2023 weitere Grundsatzentscheidungen an

Arbeitszeitmodelle wie Homeoffice und mobiles Arbeiten sind nach dem Stechuhr-Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem letzten Jahr nicht passé. "Das Urteil schafft Vertrauensarbeitszeitmodelle nicht ab", verteidigte BAG-Präsidentin Inken Gallner die Grundsatzentscheidung gegenüber Arbeitgeberverbänden im Rahmen der Vorlage des BAG-Jahresberichts in Erfurt am 08.02.2023. Für 2023 kündigte sie weitere Grundsatzurteile an.

Arbeitszeiterfassung schon jetzt Pflicht

Der Erste Senat, dem Gallner vorsteht, hatte im September 2022 erklärt, in Deutschland bestehe eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Das gelte schon jetzt - unabhängig von der geplanten Änderung des Bundesarbeitszeitgesetzes, betonte Gallner in Bezug auf Kritik von Arbeitgeberverbänden wie Gesamtmetall. "Das Ob ist entschieden. Das Wie der Arbeitszeiterfassung liegt in den gestaltenden Händen des Gesetzgebers." Auswirkungen habe das Urteil auf alle rund 41 Millionen abhängig Beschäftigten in Deutschland. "Die Entscheidung ist ein Politikum", räumte Gallner ein. Die äußerst strittige Debatte derzeit sei darum erwartbar gewesen - zumal das Urteil mit dem deutschen Arbeitsschutzgesetz begründet wurde. Nach Ansicht von Gallner schränkt die Zeiterfassung flexible Arbeitszeitmodelle nicht ein. Auch bei ihnen würden Regeln wie die elfstündige Ruhezeit pro Tag gelten.

Weitere Grundsatzentscheidung zu Nachtarbeitszuschlägen

Die Gerichtspräsidentin kündigte weitere Grundsatzurteile in diesem Jahr an, insbesondere zur Höhe von Nachtarbeitszuschlägen. Zu dem Streit um Nachtarbeitszuschläge in Branchen wie der Getränke- und Lebensmittelindustrie lägen allein beim Bundesarbeitsgericht rund 400 Fälle vor. Nach Schätzungen seien es etwa 6.000 Fälle bei den Arbeitsgerichten der Bundesländer. Die erste Entscheidung, bei der es um den Getränkekonzern Coca-Cola gehe, werde voraussichtlich am 22.02.2023 fallen, sagte Gallner. Beantwortet werden solle die Frage, ob unterschiedlich hohe Zuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Oft deutlich höhere Zuschläge für Arbeitnehmer, die nur selten Nachtarbeit erledigen, sorgen seit Jahren für Auseinandersetzungen in vielen deutschen Unternehmen. "Das wird 2023 eines der großen Themen am Bundesarbeitsgericht", so die Präsidentin.

Diskriminierungsfälle im Job

Zudem lägen mehrere Klagen zum Antidiskriminierungsrecht vor. Es stimme sie hoffnungsvoll, dass sich immer mehr Menschen, die sich diskriminiert sehen, den Weg durch die Arbeitsgerichtsinstanzen nehmen, sagte Gallner. "Arbeitnehmer trauen sich zu klagen." Das sei möglicherweise auch dem stabilen Arbeitsmarkt zu verdanken. Es gehe unter anderem um eine Benachteiligung wegen der Religion - konkret um eine Erzieherin, die auf einem Kopftuch bestehe. Ein weiterer Fall befasse sich mit Nachteilen für Teilzeitbeschäftigte bei Betriebsrenten. Bereits im Februar gehe es um eine Frau, die bei gleicher Tätigkeit weniger als ihre männlichen Kollegen verdiene.

Redaktion beck-aktuell, 9. Februar 2023 (dpa).