Kirchliche Arbeitgeber: Nur eingeschränkte Inhaltskontrolle von Arbeitsvertragsrichtlinien

Arbeitsvertragsrichtlinien kirchlicher Arbeitgeber unterliegen nur einer eingeschränkten gerichtlichen Inhaltskontrolle darauf, ob sie mit höherrangigem zwingendem Recht und den guten Sitten vereinbar sind. Das hat das BAG bekräftigt und eine Regelung in den AVR DW-EKD bestätigt.

Eine Arbeitnehmerin arbeitete in einer Einrichtung der Diakonie zunächst als Pflegefachkraft, später als Bereichskoordinatorin und schließlich auf eigenen Wunsch wieder als Pflegefachkraft. Für das Arbeitsverhältnis galten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR DW-EKD), auf die im Arbeitsvertrag Bezug genommen wurde. Es handelt sich dabei um Ar­beits­ver­trags­be­din­gun­gen, die im "Dritten Weg" durch pa­ritätisch von Ar­beit­neh­mer- und Ar­beit­ge­ber­ver­tre­tern be­setzte Kommissionen beschlossen werden.

Die Arbeitnehmerin wandte sich gegen ihre Stufenzuordnung nach der Rückkehr in ihre Tätigkeit als Pflegefachkraft, die für sie eine stufengleiche Herabgruppierung aus der EG 9 Erfahrungsstufe 1 in die EG 7 Erfahrungsstufe 1 mit sich brachte. Die Höhergruppierung ihrer Tätigkeit als Bereichskoordinatorin war stufenungleich aus der EG 7 Erfahrungsstufe 2 erfolgt. Die Pflegekraft forderte eine Vergütung nach EG 7 Erfahrungsstufe 3. Sie vertrat die Ansicht, dass ihre gesamte Erfahrungszeit als Pflegefachkraft zu berücksichtigen sei.

Entscheidend für den Streit kam es auf die Auslegung von § 16 Abs. 2 AVR-DD an: Danach ist bei einer Herabgruppierung "das Grundentgelt aus der niedrigeren Entgeltgruppe der bisherigen Entgeltstufe unter Berücksichtigung der Verweildauer (Erfahrungszeit)" zu zahlen.

AVR dienen Verwirklichung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts

Ebenso wie das ArbG und das LAG hat auch das BAG einen Anspruch der Pflegekraft auf Zahlung eines Entgelts nach EG 7 Erfahrungsstufe 3 verneint (Urteil vom 05.10.2023 6 AZR 308/22). Das BAG bekräftigt zunächst seine Rechtsprechung, dass die Arbeitsvertragsrichtlinien kirchlicher Arbeitgeber zwar AGB seien, aber nur einer eingeschränkten Inhaltskontrolle unterliegen. Es handele sich um AGB besonderer Art, die nur auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem zwingendem Recht und den guten Sitten überprüft werden könnten. Denn als kirchliche Arbeitsrechtsregelungen, die auf dem von Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV geschützten Dritten Weg zustande gekommen seien, dienten sie der Verwirklichung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts.

Diese Besonderheiten der AVR schlügen sich auch bei der Auslegung nieder: Die AVR seien nach den gleichen Grundsätzen auszulegen wie Gesetze und Tarifverträge. Die Auslegung des § 16 Abs. 2 AVR-DD ergibt laut BAG, dass sich die EG der herabgruppierten Arbeitnehmerin nach der Stufe bestimme, die sie in der höheren Entgeltgruppe erworben habe. Nur die in dieser Stufe erworbene Erfahrungszeit werde besitzstandswahrend in die neue Entgeltgruppe "mitgenommen". Das BAG führt dafür den Wortlaut der Regelung und die Systematik der AVR-DD an. "Verweildauer" und "Erfahrungszeit" seien nicht kumulativ zu berücksichtigen, vielmehr handele es sich um synonym verwendete Begriffe. Eine ergänzende Auslegung komme schon mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Frage. Eine Kontrolle des § 16 Abs. 2 AVR-DD am allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ergebe keinen Verstoß.

BAG, Urteil vom 05.10.2023 - 6 AZR 308/22

Redaktion beck-aktuell, hs, 17. Januar 2024.