Kinderbetreuung und wissenschaftlicher Nachwuchs

Die Befristungshöchstgrenze für wissenschaftliche Zeitverträge erhöht sich bei Kinderbetreuung auch dann um zwei Jahre, wenn das Kind nicht im Haushalt des Nachwuchsforschers lebt. Eine betreuungsbedingte Mehrbelastung, die durch die Verlängerungsoption abgemildert werden soll, liegt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts bei einer Mitbetreuung von beim Ex-Partner lebenden Kindern vor. Dies entspreche auch der familienfreundlichen Intention des Gesetzes.

Höchstdauer überschritten?

Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg war der Ansicht, dass sein Vertrag mit dem Land Sachsen-Anhalt nicht durch eine Befristung nach § 2 Abs. 1 Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) ausgelaufen war. Nach seiner Berechnung war die Höchstdauer von sechs Jahren überschritten worden: Zunächst war er vom 01.04.2011 bis zum 31.03.2012 als Fachmentor bei einer anderen Universität beschäftigt gewesen. Ab dem 20.0.2012 stand er dann im Dienst des Landes. Zuletzt hatte er seit 2015 einen bis zum 28.02.2018 befristeten Vertrag. Seine 2008 geborene Tochter habe schon vor dem April 2011 nicht mehr in seinem Haushalt gelebt. Die Befristungskontrollklage hatte beim Arbeitsgericht Halle Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt wies sie jedoch ab: Zwar sei die reguläre Höchstdauer von sechs Jahren überschritten worden, aber er habe seine Tochter in den Ferien und an Wochenenden mitbetreut. Somit verlängere sich die mögliche Befristungsdauer nach § 2 Abs. 1 S. 3 WissZeitVG a. F. um zwei Jahre. Das BAG stimmte den Landesarbeitsrichtern im Ergebnis zu.

Familienfreundliche Komponente

Die Erfurter Richter melden Zweifel an, ob man die Beschäftigung bei der Universität tatsächlich dem Land Sachsen-Anhalt zurechnen kann. Unabhängig davon gehen sie aber hier ebenfalls von einer um zwei Jahre erhöhten Höchstbefristungsdauer aus:  § 2 Abs. 1 S. 3 WissZeitVG a. F. (jetzt Satz 4) könne keine Beschränkung auf im Haushalt lebende Kinder entnommen werden. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm zeige sich, dass die Betreuung von Kindern im Universitätsbetrieb erleichtert und Nachteile abgemildert werden sollten. Die Mehrbelastungen für Nachwuchswissenschaftler seien nicht zwangsläufig geringer, nur weil eine Mitbetreuung von im Haushalt des früheren Partners lebenden Kindern erfolge. Auch die Gesetzesnovelle von 2016 stellt dieses Ergebnis nach Ansicht der obersten Arbeitsrichter nicht infrage: Die Bezugnahme in § 2 Abs. 1 S. 5 WissZeitVG auf das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sei nur zur Klarstellung erfolgt, dass auch nicht-leibliche Kinder erfasst würden. Die im BEEG geregelte Beschränkung von Leistungen auf im Haushalt lebende Minderjährige sei aber gerade nicht übernommen worden.

BAG, Urteil vom 15.12.2021 - 7 AZR 453/20

Redaktion beck-aktuell; Michael Dollmann, Mitglied der NJW-Redaktion, 17. März 2022.