Keine Anpassung der Versorgungszusage aus bilanzrechtlichem Kalkül

Eine Änderung bilanzrechtlicher Bestimmungen rechtfertigt keine Anpassung von Versorgungsregelungen wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB. Dies gilt nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts auch bei einer wirtschaftlichen Notlage, die ebenfalls nach den gesetzlichen Wertungen des Betriebsrentengesetzes keinen Widerruf von Versorgungszusagen begründe. In einem solchen Fall eine Störung der Geschäftsgrundlage anzunehmen, widerspräche der gesetzlichen Risikoverteilung, so das BAG.

Witwenrente bis 2016 an Tarifgehälter angepasst

Der verstorbene Ehemann der Klägerin war bei der Beklagten in leitender Position beschäftigt. Ihm war im Jahr 1976 eine Ruhegehaltszusage erteilt worden, die auch eine Hinterbliebenenversorgung umfasste. Diese enthielt eine Anpassungsregel, nach der die Versorgungsbezüge entsprechend der Entwicklung der maßgeblichen Tarifgehälter anzupassen sind. Die Beklagte gab die jeweiligen tariflichen Gehaltserhöhungen bis 2016 an die Klägerin als Bezieherin einer Witwenrente vereinbarungsgemäß weiter.

Ex-Arbeitgeberin setzt Anpassungsregel aus

Im Juli 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie berufe sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB und werde die Anpassungsverpflichtung aus der Ruhegehaltszusage künftig nicht mehr wie bisher erfüllen. Erhöhungen der Witwenrente würden nur noch nach § 16 BetrAVG vorgenommen werden. Grund für die Störung der Geschäftsgrundlage seien erheblich erhöhte Rückstellungen, die sie nach Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes 2010 (BilMoG) in ihrer Handelsbilanz aufgrund erheblich gestiegener Barwerte der Versorgungszusagen – auch der streitgegenständlichen Zusage – einzustellen habe.

Klage auf Zahlung der Differenzbeträge letztlich erfolgreich

Die Klägerin meint, die Beklagte sei weiterhin uneingeschränkt an die Anpassungsregelung in der Ruhegeldzusage gebunden und verlangt von der Beklagten die Zahlung der Differenzbeträge für den Zeitraum Juli 2016 bis März 2017. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG Erfolg.

Keine Störung der Geschäftsgrundlage gegeben

Zwar ist es laut BAG grundsätzlich möglich, die Anpassung von Versorgungsregelungen auf die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zu stützen. Vorliegend seien die Voraussetzungen hierfür jedoch nicht erfüllt gewesen. Denn Geschäftsgrundlage seien die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, wenn der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut. Dem steht dem BAG zufolge die Vorstellung einer der Parteien gleich, sofern sie für die andere Partei erkennbar war und nicht von ihr beanstandet wurde.

Schlechterer wirtschaftlicher Verlauf kein Grund für Anpassung

Die Beklagte habe sich aber eben nicht auf solche Vorstellungen berufen, sondern die vermeintliche Verteuerung der Witwenrente auf Umstände gestützt, die – unverändert – Inhalt der Versorgungszusage sind. Soweit die Beklagte den Anstieg ihrer bilanziellen Rückstellungen aufgrund angeblich wegen der Änderung des Bilanzrechts gestiegener Barwerte angeführt habe, konnte sie damit laut BAG ebenfalls nicht durchdringen. Denn nach der handelsrechtlichen Konzeption handele es sich bei Rückstellungen im Wesentlichen um ein Instrument der Innenfinanzierung, erläutert das BAG. Dies habe zwar Auswirkungen auf den bilanziellen Gewinn beziehungsweise Verlust eines Unternehmens. Allerdings berechtige ein schlechterer wirtschaftlicher Verlauf des Geschäftsjahrs nicht zum Widerruf laufender Betriebsrenten und somit auch nicht zur Änderung einer Anpassungsregelung.

Kein Widerruf von Versorgungszusagen wegen wirtschaftlicher Notlage

Das gelte auch bei einer wirtschaftlichen Notlage, die ebenfalls nach den gesetzlichen Wertungen des Betriebsrentengesetzes keinen Widerruf von Versorgungszusagen begründet. In so einem Fall eine Störung der Geschäftsgrundlage anzunehmen, widerspräche der gesetzlichen Risikoverteilung, so die BAG-Richter abschließend.


BAG, Urteil vom 08.12.2020 - 3 AZR 64/19

Redaktion beck-aktuell, 9. Dezember 2020.