Keine Änderung der insolvenzrechtlichen Rangfolge durch Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit

Der Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit führt nicht zu einer Änderung der Rangordnung des § 209 Abs. 1 InsO. Denn die Insolvenzordnung regelt abschließend, dass eine Rangfolgenordnung nur einmal erfolgt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einem Streit um den insolvenzrechtlichen Rang von Annahmeverzugsansprüchen entschieden.

Streit um Eintritt angezeigter Neu-Neumasseunzulänglichkeit

Der beklagte Insolvenzverwalter hat sich im Lauf des Insolvenzverfahrens nach erfolgter Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 InsO im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung in der Folgezeit zunächst auf Neumasseunzulänglichkeit und sodann auf Neu-Neumasseunzulänglichkeit berufen und diese jeweils dem Insolvenzgericht gegenüber angezeigt. Der Eintritt der angezeigten Neu-Neumasseunzulänglichkeit ist zwischen den Parteien streitig.

Feststellung von Annahmeverzugsansprüchen als vorrangige Masseverbindlichkeiten begehrt

Der von der Arbeitsleistung freigestellte Kläger hat Annahmeverzugsansprüche, die in den Zeitraum nach der "Neumasseunzulänglichkeitsanzeige" des Beklagten fallen, vorrangig mit einer Leistungsklage geltend gemacht. Hilfsweise hat er gestaffelt die Feststellung dieser Ansprüche als Masseverbindlichkeiten begehrt, die jeweils im Rang vor denjenigen Masseverbindlichkeiten stehen, die bis zu der jeweiligen (Neu-)Masseunzulänglichkeitsanzeige begründetet worden sind.

BAG: Leistungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat auf die Berufung des Klägers die Leistungsklage abgewiesen und der Feststellungsklage teilweise stattgegeben. Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision des Beklagten hatten vor dem BAG keinen Erfolg. Der Leistungsklage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Nach ständiger Rechtsprechung von BAG und BGH könnten Ansprüche nur noch mit einer Feststellungsklage geltend gemacht werden, wenn nach erfolgter Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO durch den Insolvenzverwalter die neu zu erwirtschaftende Insolvenzmasse nicht zur Deckung der Neumasseverbindlichkeiten ausreicht.

Keine Rangabwertung der Neumasseverbindlichkeiten bei erneuter Masseunzulänglichkeit

Hat der Insolvenzverwalter nach § 208 Abs. 1 InsO (drohende) Masseunzulänglichkeit angezeigt, ändere sich nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung von BAG und BGH die Rangfolge für die Masseverbindlichkeiten nach § 209 Abs. 1 InsO nicht, wenn in der Folgezeit die neu zu erwirtschaftende Insolvenzmasse nicht ausreicht, um fällige Neumasseverbindlichkeiten zu decken. Diese seien dann nur noch quotal zu befriedigen. An dieser Rechtsprechung hat der Sechste Senat des BAG festgehalten. Die Insolvenzordnung regele abschließend, dass eine Rangfolgenordnung nur einmal erfolgt. Daher finde eine Rangabwertung der Neumasseverbindlichkeiten im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO bei erneuter Masseunzulänglichkeit nicht statt. Sogenannte Neu- beziehungsweise Neu-Neumasseunzulänglichkeitsanzeigen des Insolvenzverwalters entfalteten deshalb keine Bindungswirkung im Sinne des § 208 Abs. 1 InsO. Der Insolvenzverwalter habe folglich die Neumasseunzulänglichkeit im Bestreitensfall darzulegen und zu beweisen.

BAG, Urteil vom 25.08.2022 - 6 AZR 441/21

Redaktion beck-aktuell, 25. August 2022.