BAG: Kein "Verwässerungsausgleich" bei effektiven Kapitalerhöhungen

Die Regelung des "Verwässerungsschutzes" bei nominellen Kapitalerhöhungen in § 216 Abs. 3 Satz 1 AktG ist nicht entsprechend auf Fälle effektiver Kapitalerhöhung anwendbar. Es fehlt unter anderem an der planwidrigen Regelungslücke, wie das Bundesarbeitsgericht entschieden hat (Urteil vom 27.06.2018, Az.: 10 AZR 295/17).

Streit um dividendenabhängige Tantieme

Die Beklagte ist eine deutsche Großbank in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Dort arbeitete der Kläger von 1963 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2011. Ab 1991 sagte die Beklagte dem Kläger eine Tantieme zu, deren Höhe unter anderem von der Dividende abhängig war, die pro ausgegebener Aktie der Beklagten gezahlt wurde. Diese Zusage wurde zuletzt 1999 modifiziert. Von 1999 bis 2010 erhöhte sich die Zahl der von der Beklagten ausgegebenen Aktien im Rahmen sogenannter effektiver Kapitalerhöhungen um 74,4%. Das gezeichnete Kapital erhöhte sich entsprechend. Die Beklagte zahlte an den Kläger für das Geschäftsjahr 2010 eine dividendenabhängige Tantieme in Höhe von 31.146 Euro brutto.

Verwässerungsausgleich kraft Analogie gefordert

Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, die an ihn auf Basis der letzten Zusage von 1999 gezahlte dividendenabhängige Tantieme für das Geschäftsjahr 2010 sei angesichts der Erhöhung der Zahl ausgegebener Aktien um 74,4% als Verwässerungsausgleich ebenfalls um diesen Prozentsatz zu erhöhen. Ihm stehe der Verwässerungsausgleich in analoger Anwendung des für nominelle Kapitalerhöhungen geltenden § 216 Abs. 3 Satz 1 AktG zu. Die maßgebliche Interessenlage eines Arbeitnehmers, dessen Tantieme von der Dividende abhänge, sei bei nominellen und effektiven Kapitalerhöhungen identisch. Zumindest ergebe sich der geltend gemachte Anspruch aus einer ergänzenden Vertragsauslegung oder nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).

BAG lehnt Analogie mangels planwidriger Regelungslücke ab

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen (vgl. ZIP 2017, 1855). Die Revision des Klägers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. § 216 Abs. 3 Satz 1 AktG gelte aufgrund seiner systematischen Stellung im AktG unmittelbar nur für sogenannte nominelle Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln. Eine analoge Anwendung auf effektive Kapitalerhöhungen, die mit einer Erhöhung des gezeichneten Kapitals verbunden sind, kommt laut BAG nicht in Betracht. Für dividendenabhängige Rechte Dritter bestehe keine planwidrige Gesetzeslücke, wie sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung ergebe.

Auch ergänzende Vertragsauslegung scheitert an Fehlen planwidriger Regelungslücke

Es führe ferner nicht zu Wertungswidersprüchen, wenn die Verwässerungsschutzregelungen für nominelle Kapitalerhöhungen nicht auf Fälle effektiver Kapitalerhöhungen übertragen werden. Auch für eine ergänzende Vertragsauslegung fehle eine planwidrige Regelungslücke. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich schließlich nicht aus den Grundsätzen der Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Es handele sich um keine schwerwiegende Veränderung der Umstände, die zur Grundlage des Vertrags im Sinn von § 313 BGB geworden sind.

Redaktion beck-aktuell, 28. Juni 2018.