BAG: Kein Betriebs- oder Unternehmensübergang bei Erwerb von Anteilen an einem Unternehmen

Der bloße Erwerb von Anteilen an einem Unternehmen stellt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union keinen Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- beziehungsweise Betriebsteilen im Sinn der Richtlinie 2001/23/EG dar. Deswegen ist in einem solchen Fall weder der Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/23/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen noch der von Art. 16 der Charta der Grundrechte (GRC) eröffnet. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einem Fall entschieden, in dem es um die Geltung des Tarifvertrages für den Öffentlichen Dienst (TVöD) aufgrund einer dynamischen Bezugnahmeklausel in einem Arbeitsvertrag ging. Das BAG bejahte die Anwendbarkeit des TVöD (Urteil vom 23.03.2017, Az.: 8 AZR 89/15).

Geltung des TVöD streitig

Der Kläger ist seit 1984 bei der Beklagten, die eine Rehabilitationsklinik betreibt, beschäftigt. Nach § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages gelten für das Arbeitsverhältnis die Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.02.1961, die diesen Tarifvertrag ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung (…), soweit in dem Arbeitsvertrag nicht ausdrückliche Regelungen getroffen sind. Die Beklagte war und ist nicht tarifgebunden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde die M AG mit Wirkung zum 01.01.2002 Gesellschafterin der Beklagten. Bereits seit Jahren streiten die Parteien darüber, ob dem Kläger Entgelt nach den Entgelttabellen des TVöD in ihrer jeweils geltenden Fassung zusteht. Mit Urteil vom 15.02.2007 hat das Arbeitsgericht Essen in einem Vorprozess festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Vorschriften des TVöD vom 13.09.2005 einschließlich der diese Vorschriften ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung finden. Das Urteil ist rechtskräftig.

Auf TVöD gestützte Klage auf rückständiges Entgelt

Der Kläger hat die Beklagte unter anderem auf Zahlung rückständigen Entgelts für die Monate Januar bis November 2013 auf der Grundlage einer im Jahr 2013 geltenden Entgelttabelle des TVöD in Anspruch genommen. Zur Begründung hat er sich auf das rechtskräftige Urteil des ArbG Essen in dem Vorprozess berufen. Die Beklagte hat geltend gemacht, aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Alemo-Herron und andere (ZIP 2013, 1686) sowie aus Art. 16 GRC folge, dass sie nicht dynamisch an den TVöD gebunden sei. Vielmehr gelte der BAT statisch mit dem Stand 31.01.2003. Dies führe zu einer Durchbrechung der Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils in dem Vorprozess.

BAG hält TVöD für anwendbar

Das ArbG und das LAG haben der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Seiner Ansicht nach durfte das LAG dem Kläger nicht das eingeklagte Entgelt zusprechen. Zwar habe dieser für die Monate Januar bis November 2013 nach § 2 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 15 TVöD Anspruch auf das monatliche Tabellenentgelt nach der für diese Zeit für ihn maßgeblichen Tabelle. Aufgrund des Urteils des ArbG Essen vom 15.02.2007 stehe rechtskräftig fest, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Vorschriften des TVöD einschließlich der diese Vorschriften ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung finden. Daran änderten weder das EuGH-Urteil in der Rechtssache Alemo-Herron und andere noch Art. 16 GRC etwas. Denn der vorliegende Sachverhalt falle weder in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12.03.2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen noch in den von Art. 16 GRC. Der bloße Erwerb von Anteilen an einem Unternehmen stelle nach der Rechtsprechung des EuGH keinen Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- beziehungsweise Betriebsteilen im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG dar.

Eingruppierung des Klägers anhand LAG-Feststellungen nicht möglich

Das angefochtene Urteil erweise sich allerdings insoweit als rechtsfehlerhaft, als das LAG nicht geprüft habe, ob dem Kläger Entgelt nach der von ihm reklamierten Entgeltgruppe KR 7a Stufe 6 zustand. Aufgrund der vom LAG bislang getroffenen Feststellungen habe das BAG nicht abschließend beurteilen können, nach welcher Entgeltgruppe und welcher Stufe welcher Tabelle sich das monatliche Entgelt des Klägers bemisst. Es habe damit nicht entscheiden können, in welcher Höhe dem Kläger Ansprüche auf rückständiges Entgelt zustehen. Deswegen sei das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückzuverweisen.

BAG, Urteil vom 23.03.2017 - 8 AZR 89/15

Redaktion beck-aktuell, 23. März 2017.

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