Geldwerte Urlaubsansprüche in Insolvenz sind (Neu)Masseverbindlichkeit
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Nutzt der Insolvenzverwalter ihre Arbeitskraft, haben Arbeitnehmer eines insolventen Unternehmens bessere Aussichten auf eine vollständige Urlaubsabgeltung: Diese Ansprüche stellen in Zukunft eine Neumasseverbindlichkeit dar und werden damit vorrangig befriedigt. Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat seine Rechtsprechung, wonach die Ansprüche in solche vor und nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gesplittet werden, aufgegeben.

Neunter Senat gibt seine Rechtsprechung auf

Auf Anfrage des Sechsten Senats nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG beschloss der Neunte Senat nunmehr, seine Auffassung zu ändern: Die Urlaubstage, die rein rechnerisch vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter angefallen waren, hatte er 2006 nicht als privilegierte Masseverbindlichkeit klassifiziert, so dass sie in der Regel nur quotal befriedigt wurden. Diese Rechtsprechung ist passé - das Splitting der Urlaubsansprüche fällt weg, fortan müssen alle bestehenden geldwerten Ansprüche vorrangig erfüllt werden. Als privilegierte "neue" Masse nach § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO gehen nur die Kosten des Insolvenzverfahrens vor. Gleiches solle - wie vom Sechsten Senat vorgeschlagen - bei § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO gelten.

Ansprüche sind nicht teilbar

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO trete der Insolvenzverwalter in die Rechte und Pflichten des Schuldners ein, als ob er die Verbindlichkeit selbst begründet hätte. Ein Arbeitsverhältnis besteht dem BAG zufolge auch hinsichtlich der Urlaubsansprüche zulasten der Masse fort. Der Urlaub würde nicht pro Monat "verdient", sondern sei nach §§ 1, 3 Abs. 1, 4 BUrlG als einheitlicher Anspruch pro Kalenderjahr zu betrachten. Dasselbe gelte für die Urlaubsabgeltung, die erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses gefordert werden kann.

Anspruch auf Freistellung untrennbar mit Urlaubsentgelt verknüpft

Die künstliche Trennung des Anspruchs auf Freistellung von der Arbeitsleistung und des Anspruchs auf Zahlung des Urlaubsentgelts ist laut den Erfurter Richtern nicht aufrechtzuerhalten: Es handele sich um zwei Seiten eines einzigen Anspruchs, so dass mit der Freistellung zwingend das Urlaubsentgelt zu leisten sei. Anderenfalls werde der Arbeitnehmer in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt: Wenn nicht sicher sei, dass die Ferienzeit bezahlt werde, könne er sich gezwungen sehen, hierauf zu verzichten.

BAG, Beschluss vom 16.02.2021 - 9 AS 1/21

Redaktion beck-aktuell, 29. März 2021.