Außerordentliche Kündigungen und Aufforderung "zum Arbeitsantritt"
Die Beklagte sprach gegenüber dem Kläger, der bei ihr als technischer Leiter beschäftigt war, eine fristlose Änderungskündigung aus und bot zugleich unter Aufforderung "zum Arbeitsantritt" einen neuen Arbeitsvertrag als Softwareentwickler gegen eine verminderte Vergütung an. Der Kläger lehnte das Änderungsangebot ab und erschien auch nicht zur Arbeit. Daraufhin kündigte ihm die Beklagte erneut außerordentlich und forderte ihn "im Falle der Ablehnung dieser außerordentlichen Kündigung" erneut "zum Arbeitsantritt" auf. Dem leistete der Kläger ebenfalls nicht Folge.
Arbeitnehmer macht Annahmeverzugsvergütung geltend
Der Kläger hielt die Kündigungen für unwirksam und erhob Klage, mit der er Vergütung wegen Annahmeverzugs auf Zahlung des arbeitsvertraglich vereinbarten Gehalts abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes bis zum Antritt der neuen Beschäftigung verlangte. In den Instanzen war die Klage erfolglos. Das LAG nahm an, der Kläger habe trotz der unwirksamen Kündigungen der Beklagten keinen Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung, weil er das Angebot der Beklagten, während des Kündigungsschutzprozesses bei ihr weiterzuarbeiten, nicht angenommen habe. Der Kläger legte Revision ein - mit Erfolg.
Kündigungen wegen widersprüchlichen Verhaltens unwirksam
Laut BAG hat sich die Beklagte aufgrund ihrer unwirksamen fristlosen Kündigungen im Annahmeverzug befunden, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Klägers bedurft hätte. Weil die Beklagte selbst davon ausgegangen sei, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr nicht zuzumuten, spreche wegen ihres widersprüchlichen Verhaltens eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie dem Kläger kein ernstgemeintes Angebot zu einer Prozessbeschäftigung unterbreitet habe. Die Ablehnung eines solchen "Angebots" lasse entgegen der Auffassung des LAG auch nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Klägers im Sinne des § 297 BGB schließen. Es käme lediglich in Betracht, dass er sich nach § 11 Nr. 2 KSchG böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen lassen müsste. Das scheide im Streitfall jedoch aus, weil dem Kläger aufgrund der gegen ihn im Rahmen der Kündigungen erhobenen Vorwürfe und der Herabwürdigung seiner Person eine Prozessbeschäftigung bei der Beklagten nicht zuzumuten gewesen sei.
Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung im Kündigungsschutzprozess unschädlich
Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger im Kündigungsschutzprozess vorläufige Weiterbeschäftigung beantragt habe. Dieser Antrag sei auf die Prozessbeschäftigung nach festgestellter Unwirksamkeit der Kündigungen gerichtet gewesen. Nur wenn der Kläger in einem solchen Fall die Weiterbeschäftigung abgelehnt hätte, hätte er sich seinerseits widersprüchlich verhalten. Hier sei es indes um die Weiterbeschäftigung in der Zeit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung gegangen. Es mache einen Unterschied, ob der Arbeitnehmer trotz der gegen ihn im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung erhobenen (gravierenden) Vorwürfe weiterarbeiten solle oder nach erstinstanzlichem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess gleichsam "rehabilitiert" in den Betrieb zurückkehren könne.