© pusteflower9024 / stock.adobe.com
"Tätigkeit als Jurist zu kurz"
Seine Klage gewonnen hat damit ein schwerbehinderter Rechtsanwalt (Grad der Behinderung 50), der sich mit seiner Bewerbung als Leiter des Rechtsamts des Landkreises Meißen übergangen sieht. Dort wurde er nicht mal zum Vorstellungsgespräch eingeladen, weil er "offensichtlich fachlich ungeeignet" sei. Vor dem Referendariat hatte der Industriekaufmann als TV-Redakteur, Künstler-Manager und Immobilienmakler gearbeitet. Das
LAG Sachsen wies ebenso wie zuvor das
Arbeitsgericht Dresden seine Forderung nach Entschädigung ab: Das Angebot habe die Stelle des "Amtsleiters/in Rechts- und Kommunalamt (Jurist/in)" betroffen, befanden die Richter in Chemnitz. Nach dem Anforderungsprofil habe der Landkreis neben einem "abgeschlossenen weiterführenden wissenschaftlichen Hochschulstudium in der Fachrichtung Rechtswissenschaften bzw. Zweites Juristisches Staatsexamen (Volljurist/in)" und weiteren Anforderungen eine "mehrjährige einschlägige Berufserfahrung", eine "mehrjährige einschlägige Führungserfahrung vorzugsweise in einer vergleichbaren Führungsposition hinsichtlich der Führungsspanne und des Aufgabenbereichs im kommunalen Bereich" sowie "Führungskompetenzen, insbesondere zielorientierte/kooperative Leitung" erwartet.
"Führungserfahrung fehlt"
In der weiteren Beschreibung des Stellenangebots war die Führungserfahrung mit einer Dauer von "zwei bis fünf Jahren" und die Personalverantwortung mit "zehn bis 49 Mitarbeitern/innen" konkretisiert worden. Somit sei der Kläger offensichtlich ungeeignet gewesen, denn weder verfüge er über mehrjährige juristische Berufs- noch Führungserfahrung, so das LAG. In Anwaltskanzleien (darunter seiner eigenen) habe er nur ein Jahr lang gearbeitet, und die Stationen im Referendariat zählten hierbei nicht mit. Auch habe er bei seinen anwaltlichen Tätigkeiten nur über eine geringe Zahl von Mitarbeitern eine Weisungsbefugnis gehabt.
Überraschende Lösung des BAG
Das
BAG entschied hingegen zugunsten des Mannes - wobei ein ganz anderer Punkt den Ausschlag gab. Der Landkreis hatte nämlich den zu vergebenden Job nicht der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet, wie dies
§ 165 Satz 1 SGB IX vorschreibt. Die Veröffentlichung des Stellenangebots über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit reichte den Richtern in Erfurt nicht aus. Die Unterlassung begründe die Vermutung, dass der Arbeitgeber den Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt habe. Daher schulde er ihm die Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach
§ 15 Abs. 2 AGG. Ob weitere Verstöße gegen die Verfahrens- und Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen vorlagen, konnten die obersten Arbeitsrichter somit offen lassen. Ebenso konnte dahinstehen, ob ein Indiz nach
§ 22 AGG für eine Benachteiligung des Klägers darin liegen konnte, dass er auf seine Beschwerde gegen die Berücksichtigung eines Konkurrenten keine Antwort mehr erhalten hatte.
BAG, Urteil vom 25.11.2021 - 8 AZR 313/20
Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 25. November 2021.