BAG: Dynamische Bezugnahmeklausel nicht durch Betriebsvereinbarung änderbar

Eine individualvertraglich vereinbarte Vergütung nach tariflichen Grundsätzen kann durch eine Betriebsvereinbarung nicht zulasten des Arbeitnehmers abgeändert werden. Dies stellt das Bundesarbeitsgericht klar (Urteil vom 11.04.2018, Az.: 4 AZR 119/17).

Monatliche Vergütung in Gruppe BAT Vc/3 vereinbart

Der Kläger ist seit 1991 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin als Masseur in einem Senioren- und Pflegezentrum beschäftigt. In einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag von Dezember 1992 verständigte sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem Kläger auf eine Reduzierung der Arbeitszeit. In der Vereinbarung heißt es, die Vergütung betrage "monatlich in der Gruppe BAT Vc/3 = DM 2.527,80 brutto". Im Februar 1993 schlossen die Rechtsvorgängerin der Beklagten und der bei ihr gebildete Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung. Danach sollten in ihrem Anwendungsbereich "analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages – BAT vom 11.01.1961" gelten. Ihre Bestimmungen sollten automatisch Bestandteil von Arbeitsverträgen werden, die vor Februar 1993 geschlossen worden waren. Die betroffenen Arbeitnehmer sollten einen entsprechenden Nachtrag zum Arbeitsvertrag erhalten. Einen solchen Nachtrag unterzeichneten die Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Kläger im März 1993.

Streit um dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge

Die Beklagte kündigte die Betriebsvereinbarung zum 31.12.2001. Im März 2006 vereinbarten die Parteien im Zusammenhang mit einer Arbeitszeiterhöhung, dass das Gehalt "entsprechend der 0,78 Stelle auf 1.933,90 Euro erhöht" werde und "alle übrigen Bestandteile des bestehenden Arbeitsvertrages … unverändert gültig" blieben. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für die kommunalen Arbeitgeber geltenden Fassung (TVöD/VKA) beziehungsweise dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zu. Die Beklagte meint, eine dynamische Bezugnahme auf die vom Kläger herangezogenen Tarifwerke liege nicht vor.

Dynamische Bezugnahme nicht durch Betriebsvereinbarung änderbar

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers vor dem BAG war erfolgreich. Die Beklagte sei verpflichtet, den Kläger nach der jeweiligen Entgelttabelle des TVöD/VKA zu vergüten. Der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten hätten die Vergütung nach den jeweils geltenden Regelungen des BAT und nachfolgend des TVöD/VKA arbeitsvertraglich vereinbart. Die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 1993 habe diese Vereinbarung nicht abzuändern vermocht. Ungeachtet der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung habe die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede bereits deshalb nicht der Abänderung durch eine kollektivrechtliche Regelung unterlegen, weil es sich bei der Vereinbarung der Vergütung nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern um eine individuell vereinbarte, nicht der AGB-Kontrolle unterworfene Regelung der Hauptleistungspflicht handelte. Die vom Landesarbeitsgericht aufgeworfene Frage der – generellen – Betriebsvereinbarungsoffenheit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Arbeitsverträgen habe deshalb keiner Entscheidung bedurft, so das BAG.

BAG, Urteil vom 11.04.2018 - 4 AZR 119/17

Redaktion beck-aktuell, 12. April 2018.

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